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Bevor es losgeht: Als Reaktion auf unseren Report „Brandmauer Schule“ erzählten uns einige Lehrkräfte, dass auch sie von der AfD oder anderen rechtsextremen Gruppen eingeschüchtert wurden. Wenn dir oder deiner Schule Ähnliches passiert ist, kannst du uns in dieser Umfrage davon berichten. Du kannst auch anonym teilnehmen. Weitere Reaktionen zur Recherche mit dem ZDF Magazin Royale (ZMR) haben wir weiter unten gesammelt.
Bei der Watchparty in unserem Büro, bei der wir die Sendung von Jan Böhmermann gezeigt haben, konnten überraschenderweise nicht alle 16.209 Leser:innen dieses Newsletters kommen. Einiges, was wir dort gefragt wurden, dürfte aber für alle interessant sein. Bei Krautreporter recherchieren wir nämlich normalerweise nicht im stillen Kämmerchen. Eigentlich können unsere Leser:innen – also auch du – mitbestimmen, worum es gehen soll und uns bei Recherchen wichtigen Input geben. Deshalb beantworten wir hier im Nachhinein die wichtigsten Fragen zu den drei gemeinsamen Monaten mit der Redaktion des ZDF Magazin Royale.

Gemeinsam mit den KR-Mitgliedern wurde die Böhmermann-Sendung “Fack Ju Hitla” geschaut. | Foto: Philipp Sipos.
Wie kam die Kooperation überhaupt zustande?
Wie du vielleicht mitbekommen hast, haben wir vor knapp drei Jahren schon mal mit dem ZDF Magazin Royale kooperiert. Damals haben wir uns angeguckt, was hinter Waldorfschulen steckt (zur Sendung des ZDF). Mittlerweile sind bei uns neun Texte zu diesem Thema erschienen. Seit dieser Recherche standen wir immer wieder im Austausch mit der Redaktion von Böhmermann und haben einige Ideen ausgetauscht. Zwischendurch haben wir überlegt, uns das Thema Privatschulen anzuschauen – da Waldorfschule aber auch Privatschulen sind, haben wir uns dagegen entschieden (aber eine eigene KR-Serie dazu geschrieben). Dann sah es so aus, als würden wir uns Schulbüchern und Schulbuchverlagen widmen, aber dort haben sich die Insider-Tipps, die wir bekommen hatten, als mehr oder weniger harmlos herausgestellt. Beim Thema Rechtsextremismus und Widerstand dagegen haben wir dann ein Thema gefunden, bei dem die Relevanz sofort klar war.
Wie habt ihr zusammengearbeitet?
Wir haben ein vierköpfiges Team gebildet: Wir von Krautreporter und zwei Kolleginnen aus der Böhmermann-Redaktion haben die Recherche gemeinsam strukturiert und durchgeführt. Die Zusammenarbeit war sehr eng. Wir haben uns über mehrere Monate fast jeden Morgen per Videocall getroffen und besprochen, was die nächsten Schritte sind. Ungefähr drei Wochen vor der Veröffentlichung haben die Kolleginnen vom ZMR aus der Recherche die Sendung gebastelt – und wir unsere Texte geschrieben.
Wie habt ihr die Geschichten verifiziert?
Im Vergleich zur Waldorf-Recherche haben wir dieses Mal vergleichsweise viele persönliche Geschichten erzählt. Dafür reicht es aber natürlich nicht, wenn uns jemand etwas erzählt, was er oder sie nicht belegen kann. Deshalb haben wir uns bei allen Geschichten diverse Belege schicken lassen: Mails, Beschwerden, Chats, Fotos usw. Wenn wir eine Aussage nicht belegen konnten, haben wir sie auch nicht in die Berichte mit aufgenommen.
Was war anders als bei anderen Recherchen?
Der größte Unterschied war die Menge an Gesprächen, die wir in den vergangenen Monaten geführt haben. Die meisten Gespräche finden sich in den Texten nicht wieder, aber waren wichtig, um die Hintergründe zu verstehen. Was auch anders war: die Sicherheitsbedenken. Über die AfD und andere rechtsextreme Akteur:innen zu schreiben, ist was anderes, als über eine Schule zu berichten, die ein neues Lernkonzept ausprobiert. Wir haben deswegen eine Meldeauskunftssperre für unsere Adressen beantragt und bestimmte Leute nur mit einer Extra-KR-Mailadresse angeschrieben, statt mit unserer eigenen. Ein weiterer Unterschied war das Ausmaß des Fact-Checkings. Bei den meisten KR-Texten ist Fact-Checking eine Sache zwischen Autor:in und Redakteur:in. Bei den Brandmauer-Texten hat sich unsere Kollegin Susan komplett um den Faktencheck gekümmert. Wir mussten dafür bei jedem Text und jeder einzelnen faktischen Aussage die Quellen verlinken, die die Aussage belegen. Und ja: So konnte sie noch ein paar Zahlendreher oder Ungenauigkeiten entdecken.

Wir beantworten Fragen unserer Leser:innen zur Recherche. Was hat uns besonders beeindruckt? Gibt es Bundesländer, in denen die AfD aktiver ist? Welche Rolle haben die Schulämter? | Foto: Philipp Sipos.
So wurde die Recherche aufgenommen
In den Monaten der Recherche konnten wir mit kaum jemandem über unsere Arbeit sprechen. Umso krasser ist das Gefühl, wenn man das Erarbeitete teilt – und merkt, dass sie was mit den Menschen macht, die sie lesen.
Besonders gefreut haben wir uns über eine Mail, die wir von einer Lehrerin erhalten haben. In der Mail berichtet sie, dass wegen eines von ihr verfassten Facebook-Kommentars eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie bei der Bezirksregierung eingereicht wurde. In ihrer Stellungnahme schreibt sie, dass sie die Beschwerde für ein Werkzeug halte, das genutzt würde, um sie einzuschüchtern. Sie erklärt, dass Dienstaufsichtsbeschwerden neben Kleinen Anfragen und den Meldeportalen einem klaren Muster folgen würden und dass es darum ginge, „Einfluss auf Unterricht, Lehrende und Schulklima zu nehmen.“ Und sie verlinkte unseren Brandmauer-Schule-Report. Unsere Recherche hatte also einen direkten Einfluss und hat ihr geholfen, Worte zu finden, um auf die Dienstaufsichtsbeschwerde zu reagieren.
Viele weitere Menschen berichten in Mails und Kommentaren auf Instagram, Linkedin oder Youtube von ähnlichen Erfahrungen wie die Lehrkräfte und Schüler:innen, mit denen wir für die Recherche gesprochen haben.
Eine Lehrerin schreibt per Mail, dass sie versucht habe, die Teilnahme einer AfD-Kandidatin bei einer Podiumsdiskussion zu verhindern und dass es wenig Rückhalt im Kollegium gab: „Erschreckend war - wie ja auch die anderen Lehrkräfte berichten - wie wenig sich das restliche Kollegium engagiert hat. Unterstützung hatte ich größtenteils nur in 4-Augen-Gesprächen, nachdem die Diskussion in einer Teambesprechung zur geplanten Podiumsdiskussion hauptsächlich aus einem Schlagabtausch zwischen mir, der Schulleitung und einer weiteren Kollegin bestand.“
Eine andere Lehrerin berichtet über die fehlende Unterstützung der Schulleitung: „Als 2018 die AfD in Berlin ein Meldeportal installierte, gab es eine Anfrage aus meinem Kollegium an die Schulleitung, wie sie sich dazu positioniere. Die Schulleitung antwortete damals sinngemäß: So etwas dürfe man nicht großmachen bzw. zu ernstnehmen. Heute weiß ich aufgrund von anderen Konflikten, dass es bei Konflikten keinerlei Unterstützung durch die Schulleitung gibt. Ich habe die Schule deshalb verlassen. Im Prinzip weiß man bei Schulleitern dieser Art nicht, ob sie einfach nur dumm und politisch naiv sind, oder insgeheim die AfD unterstützen. Keine Ahnung, was schlimmer ist - der Unterschied spielt letztendlich keine Rolle.“
Währenddessen schreiben auf Instagram in Kommentaren ehemalige Schüler:innen oder Kolleg:innen der Schulleiter Andreas Golus-Steiner und Martin Süsterhenn:
„Herr Süsterhenn war mein Philosophilehrer und damals schon ein super Typ. Er leistet großartige Arbeit als Schulleiter!“
„Andreas Steiner – mein ehemaliger Schulleiter – da hat er seit Jahren Rückgrat!“
„yaaaaasss! omg ich habe zeitweise unter seiner leitung gearbeitet – wirklich einer der tollsten schulleiter!“
Danke für das Teilen der Erfahrungen und das Reagieren auf unsere Recherche! Auch deswegen haben wir schon jetzt Ideen für neue Recherchen. Wenn du unseren Newsletter noch nicht abonniert hast, kannst du das hier machen, kostenlos und jederzeit kündbar:
Fotoredaktion: Philipp Sipos.