In diesem Text:
- Tristan Härter: „Mein Schulleiter meinte zu mir, ich würde den Schulfrieden stören“
- Simone Weber: „Ich glaube, die AfD will uns zermürben“
- Martin Süsterhenn: „Die hatten Angst. Und dann soll ihnen ein AfDler gegenübersitzen?“
- Gina Waibel: „Ohne Rückendeckung in der Schule wollte ich erstmal keine Lehrerin mehr sein“
- Georg Grimm: „Ich war mir einhundertprozentig sicher, dass ich mit meinen Worten in der Schule Mainstream bin“
- Andreas Golus-Steiner: „Ich finde es extrem gefährlich, wenn Schulleitungen denken, sie müssten neutral sein“
Mein Schulleiter meinte zu mir, ich würde den Schulfrieden stören

Tristan Härter war bis zu diesem Sommer Lehrer in Thüringen. Nachdem er Schüler:innen über rechtsextreme Symbole aufgeklärt hatte, wurde er online bedroht. Sein Schulleiter sagte ihm, er würde den Schulfrieden stören. | Foto: Philipp Sipos.
Eigentlich wusste ich, was mich erwartet, als ich vor sieben Jahren an einer Gemeinschaftsschule in einem Dorf in Süd-Thüringen als Lehrer anfing. Ich wusste, dass viele Eltern die AfD wählen und dass ihre Kinder dem folgen. Aber dass es so schlimm werden würde, hätte ich nicht gedacht.
Kinder bringen die Gedanken ihrer Eltern und Großeltern in den Klassenraum mit. Sie haben erzählt, alles würde ihnen verboten werden. Bald dürften sie keine Bratwurst mehr essen. Bratwürste sind für Thüringer sehr wichtig, ähnlich wie die Simson, das Moped, das Björn Höcke in seinen Videos fährt. Für die Kids sind das Identifikationsmerkmale, die zeigen: „Ich bin Ossi und stolz drauf.“ In den Pausen haben Kinder den Heidemarsch aus der NS-Zeit gesungen. Das hatten sie von Tiktok. Selbst Fünftklässler:innen trugen Pullis oder T-Shirts, auf denen „Division Thüringen“ oder „White Supremacy“ (weiße Vorherrschaft) stand.
Ich habe gerne mit meinen Schüler:innen über Politik geredet. 2023 habe ich gemerkt, dass die AfD auf Tiktok immer größer wird. Ich habe angefangen, mit meinen Schüler:innen über ihre Kleidung zu sprechen, wenn rechtsextreme Symbole drauf waren. Manchmal habe ich auch ihre Eltern darauf angesprochen. Mit einer achten Klasse habe ich wegen wiederholter Hakenkreuz-Kritzeleien geredet. Einige Eltern fanden das überhaupt nicht gut. Im Dorf wurde immer mehr über mich gesprochen. Eltern wollten nicht, dass die Kinder zu „Herrn Härter“ kommen.
Nach den Herbstferien 2024 wurde ich für einen Teil meiner Unterrichtszeit an eine andere Schule abgeordnet. Eine Realschule im selben Landkreis. Ich wusste, dass die Schule ein anderes Kaliber ist – also noch rechter als meine ursprüngliche Schule. In dem Ort gab es kaum Ausländer und trotzdem so viel Hass auf sie. Die ukrainischen Kinder an der Schule hatten es unglaublich schwer. Elfjährige haben über ukrainische Kinder gesagt, dass sie stinken würden. Im Unterricht meinte ich irgendwann: „Es kann nicht sein, was ihr hier auslebt.“ Mein Name ist in einer Telegram-Gruppe von Leuten aus dem Dorf aufgetaucht, auf dem Profilbild der Gruppe ist eine Reichsflagge zu sehen. In der Gruppe wurde unter anderem geschrieben:
„Solche Typen gehören nicht in eine Schule. Die Aufgabe von Lehrern ist, den Schulstoff zu vermitteln und nicht ihre Ideologien.“
„Ist der schwachkopf jetzt wirklich „Lehrer“ an unserer Schule??“
Schüler:innen von der Schule, an der ich abgeordnet war, haben mich gefragt, welchen Wagen ich fahre. Ich habe gemerkt, dass ich ihnen nicht mehr traue. Ich habe darüber gelogen, wo ich herkomme, weil ich nicht wollte, dass sie mein Nummernschild erkennen. In meinem Fitnessstudio hat jemand angerufen und sich als ich ausgegeben. Die Person wollte meine Adresse und Telefonnummer herausfinden. Zum Glück hatte der Mitarbeiter im Fitnessstudio keine Lust, die Daten rauszusuchen.
Es hat sich wie eine Jagd angefühlt. Und ich war die Beute.
Gleichzeitig wurde ich an meiner Stammschule immer wieder zu Gesprächen eingeladen. Die meisten Gespräche waren Reaktionen auf Mails von Eltern, die mein Schulleiter erhalten hatte, in denen sie sich über mich beschwert haben. Mein Schulleiter hatte bei den Gesprächen den Beutelsbacher Konsens ausgedruckt auf den Tisch gelegt und gesagt, ich solle mich neutral verhalten. Der Beutelsbacher Konsens ist ein rechtlich nicht bindender Leitfaden für Politikunterricht. Als ob ich nicht wüsste, was meine Pflichten und Rechte sind: demokratische Werte verteidigen.
Anfang Februar habe ich in einem Reel auf Instagram gesagt, dass ich mich an die Drohungen gewöhnt habe. Dass sie seit Jahren Teil meines Lebens seien. Dann schrieb ein Vater mir, dass er sich wünschte, dass ich abgestochen werde. Ich bin nur noch mit Handy auf die Straße gegangen, um jederzeit filmen zu können, falls mich wieder jemand bedroht. Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich hatte das erste Mal richtig Angst und merkte: So richtig gewöhnt hatte ich mich wohl nie an die Drohungen.
Nach den Winterferien sagte mein Schulleiter zu mir, ich würde den Schulfrieden stören. Da begriff ich, wie alleine ich bin. Ich ging zu meiner Ärztin und bekam leichte Medikamente gegen die Schlafstörung. Aber das reichte nicht. Wir haben dann die Notbremse gezogen, die Ärztin hat mich immer wieder krankgeschrieben, sodass ich am Ende gar nicht mehr in die Schule bin.
In einer Mail habe ich meinen Kolleg:innen, der Schulleitung und dem Schulamt erklärt, warum ich erstmal nicht mehr in die Schule komme. Ich dachte, das würde sie vielleicht interessieren. Aber kein Kollege antwortete. Nichts, gar nichts. Niemand hat sich erkundigt, wie es mir ging. Auf Instagram schrieben mir Schüler:innen: „Gut, dass Sie jetzt weg sind.“
Mit dem Schulamt hatte ich nach meiner Mail ein Gespräch, in dem sie mir eröffnet haben, dass sie mich ziehen lassen. Ich wollte seit fünf Jahren nach Nordrhein-Westfalen gehen, aber das geht eigentlich nur, wenn eine andere Lehrkraft dafür nach Thüringen zieht. Jetzt durfte ich gehen, obwohl es keinen Tauschpartner gab. Sie meinten im Gespräch zu mir, dass sie mich schützen wollen. Ich glaube, dass sie ganz froh waren, mich loszuwerden.
Auf Nachfrage bezeichnete der ehemalige Schulleiter von Tristan Härter die Schilderungen von Härter als unsubstantiiert. Sowohl der Schulleiter als auch das zuständige Schulamt schrieben uns, dass sie sich über die Vorgänge nicht weiter äußern können.
Ich glaube, die AfD will uns zermürben

In den Sommerferien bekommt Simone Weber plötzlich einen Anruf: Ein AfD-Politiker interessiert sich für die Aufkleber auf ihrem iPad – und macht sie zum Inhalt mehrerer Kleiner Anfragen im Landtag. Einen der Sticker haben wir verdeckt, weil er persönliche Informationen enthält. | Foto: Philipp Sipos.
Im Zuge der Bundestagswahl hat die AfD in meiner Stadt in der Pfalz ziemlich viel Werbung gemacht. Sie haben gezielt Jugendliche angesprochen, die Junge Alternative hat Sticker verteilt. Bald tauchten diese Sticker bei uns in der Realschule auf, an einer Tür zum Klassenraum und im Flur. Teilweise waren sie so aufgeklebt, dass man nicht so leicht an sie herankam. Und die Sticker waren heftig. Darauf standen Sachen wie: „Meine Motivation? Remigration!“ oder „Abschieben schützt Frauen“, jeweils mit dem Logo der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD.
Ein paar Monate später musste ich meine Englischklasse kurz alleine lassen. Als ich wiederkam, haben mir Schüler:innen berichtet, dass ein Junge an meiner Tasche war, mein Tablet herausgenommen und fotografiert hat. Mir war schnell klar, warum. Auf meinem Tablet kleben Sticker: einer von einem Fanclub des Fußballvereins aus meiner Stadt und diverse andere wie „Kein Mensch ist illegal“ oder „Stoppt Rassismus“. Botschaften, die nicht kontrovers sein sollten.
Der Schüler, der das Foto gemacht hat, hat sich schon mehrfach pro AfD geäußert und wurde erwischt, als er Sticker der Jungen Alternative an die Wände in der Schule geklebt hat. Ich habe darauf bestanden, dass er sein Handy zur Schulleitung bringt, aber er meinte, er hätte gar kein Handy dabei. Später hat sich die Stufenleitung der Sache angenommen. Andere Schüler:innen haben ihr das Handy gebracht, der Schüler musste die Fotos löschen und bekam einen Verweis. Ob er die Fotos vorher weitergeschickt hatte, weiß ich nicht.
Der Schüler hat sich anschließend bei mir entschuldigt und erklärt, warum er das gemacht hat. Er meinte, die AfD-Kandidaten hätten im Wahlkampf auf der Straße zu ihm gesagt: Wenn eure Lehrer Sticker mit politischen Aussagen haben, könnt ihr die anzeigen. Das seien nämlich Aufkleber der Antifa. Für die AfD scheint zu gelten: Antifa = linksextrem. Ich fühlte mich, als müsste ich mich rechtfertigen und habe nochmal deutlich gemacht: Meine Aufkleber sind keine von der Antifa.
In den Sommerferien, als ich an der Ostsee im Urlaub war, hat mich auf einmal meine Schulleiterin angerufen. Die Schulaufsicht hatte sich bei ihr gemeldet, weil die AfD eine Kleine Anfrage im Landtag gestellt hat. In der Kleinen Anfrage wurde nicht nur meine Schule genannt, sondern auch mein Fach und meine Klasse, in der ich unterrichtet habe. Es hieß: Laut Zeugen sei mein Tablet mit Aufklebern bestückt, zwei Antifa-Aufkleber seien deutlich erkennbar gewesen und dies widerspreche dem Neutralitätsgebot. Der AfD-Politiker wollte wissen, ob die Aufkleber zum Anlass genommen werden, mich zur Einhaltung des Neutralitätsgebotes zu verpflichten.
Ich musste meiner Schulleiterin ein Foto von meinem Tablet schicken. Sie bat mich, mich in Zukunft nicht mehr politisch zu äußern. Ich weiß nicht, ob sie mich damit schützen wollte oder ob sie einfach nur wollte, dass daraus keine größere Geschichte wird. Ich sehe das anders: Wir müssen dagegenhalten. Wir können nicht mehr die Klappe halten, wenn die von Rechtsaußen unsere Schulen angreifen.
Die Kleine Anfrage habe ich meinem Bruder geschickt. Als er gesehen hat, von welchem AfD-Poltiker sie stammt, meinte er: „Ist das nicht der Typ, der in Ludwigshafen Bürgermeister werden wollte und gar nicht zur Wahl antreten durfte, weil er zu rechts war?“ Und tatsächlich: Joachim Paul von der AfD, der sich für mein Tablet interessierte, durfte bei der Oberbürgermeister-Wahl in Ludwigshafen nicht kandidieren. Der Wahlausschuss der Stadt hatte Zweifel an seiner Verfassungstreue, auch weil er den österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner getroffen haben soll. Paul selbst bestreitet die Vorwürfe teilweise. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Wahlausschusses mittlerweile sogar bestätigt. Selbst die AfD mahnte ihn ab, nachdem er bei einem Event das rechtsextreme „White Power“-Zeichen gemacht haben soll. Der ist wohl selbst für die AfD zu rechts.
Das Verrückte ist: Bis Joachim Paul 2016 für die AfD in den Landtag einzog, war er sogar selbst Lehrer! Aus dem Parlament heraus wirft er mir nun vor, als Lehrerin nicht neutral zu sein, wenn ich gegen Nazis bin.
Die Landesregierung hat mittlerweile auf die Kleine Anfrage von ihm geantwortet. Das habe ich nur mitbekommen, weil ich die Plattform der Kleinen Anfragen laufend aktualisiert habe. In der Antwort steht: „Nach Prüfung der Schulaufsicht liegt ein […] Verstoß nicht vor.“ Das Schreiben stammt von unserem Bildungsminister persönlich. Dass dieser sich mal für die Sticker auf meinem Tablet rechtfertigen muss, hätte ich auch nicht gedacht.
Anfang September hat Joachim Paul dann nachgelegt und eine zweite Kleine Anfrage verfasst. Er wollte wissen, wie die Schulaufsicht zu ihrer Einschätzung komme und was der Bildungsminister davon halte. In der Schule haben wir uns schon gefragt, was der von uns kleinen Lichtern eigentlich will. Ich glaube, die AfD will uns zermürben.
Eine Handvoll Kolleg:innen von meiner Schule haben sich nun zusammengetan und neue Sticker bestellt. Gegen Rassismus und gegen Nazis.
Wir haben nicht den tatsächlichen Namen von Simone Weber verwendet. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.
Die hatten Angst. Und dann soll ihnen ein AfDler gegenübersitzen?

Die Bezirksregierung Köln ordnete Martin Süsterhenn als Schulleiter an, die AfD zu einer Podiumsdiskussion einzuladen. Die Veranstaltung sagte er lieber ab – und führte sie in der Kirche nebenan durch, ohne die AfD. | Foto: Philipp Sipos.
Im Februar, vor der Bundestagswahl, haben wir in unserer Gesamtschule verschiedene Workshops für die zehnten Klassen angeboten. Schülerinnen und Schüler sollten für Fake News sensibilisiert werden und für einen respektvollen Umgang mit Menschen. Das fand im Rahmen eines Projekttages zur Demokratiebildung in Kooperation mit dem Kölner Jugendring statt. Das Motto war: „Aktionstag zur U18-Wahl“. Es waren auch Schüler und Schülerinnen von anderen Schulen zu Gast. Nach den Workshops wollten wir eine Podiumsdiskussion veranstalten, mit anschließendem Speeddating mit den Kandidaten verschiedener Parteien zur Bundestagswahl. Der Kölner Jugendring hatte dafür Vertreter der Parteien eingeladen – die AfD jedoch nicht.
Das fand ich richtig. An unserer Schule haben 91 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Viele von ihnen wachsen in Armut auf, haben keine geordneten Familienverhältnisse, leben in viel zu kleinen Wohnungen. Als das Treffen in Potsdam bekannt wurde, bei dem Vertreter der AfD dabei waren und es um Remigration ging, fragten uns Kinder im Unterricht: „Was darf ich mitnehmen, wenn ich abgeschoben werde?“ Die hatten Angst. Und dann soll ihnen ein AfDler gegenübersitzen? Das wollte ich nicht.
Eine knappe Woche vor der geplanten Podiumsdiskussion, an einem Freitag, kam eine Mail von der AfD in Köln. Im CC war die Bezirksregierung, also meine Chefs. Die AfD bemängelte, dass sie nicht eingeladen worden seien und dass die Bezirksregierung sicherstellen soll, dass das nachgeholt werde. Die AfD forderte eine Antwort bis Montag. Für gewöhnlich ist die Bezirksregierung nicht für ihre Schnelligkeit bekannt. Wir warten gerne mal bis zu acht Wochen auf Antworten. Doch Montagvormittag kam direkt eine Mail der Bezirksregierung. In der Antwort an die AfD hieß es, dass die Beschwerde begründet sei, weil ein dienstliches Fehlverhalten vorliege. Allerdings hatte die Landesregierung mal geschrieben, dass es keinen Anspruch darauf gebe, dass jede politische Gruppierung eingeladen werde.
Die Bezirksregierung und ich schrieben ein paar Mails hin und her. Erst hieß es formlos, ich solle den örtlichen Wahlkreiskandidaten der AfD zur Podiumsdiskussion einladen. Dann kam eine offizielle Dienstanweisung. Ich solle dafür sorgen, dass alle Direktkandidaten aus unserem Wahlkreis kommen dürfen. Die Schüler dürften nicht den Eindruck haben, dass einzelne Parteien ausgeschlossen werden. Die Bezirksregierung wies deutlich auf das Neutralitätsgebot. Ich wurde vor die Wahl gestellt: die AfD einladen oder die Diskussion absagen.
Da habe ich mich mit dem Jugendring beraten und den Pfarrer der benachbarten Kirche angerufen. Er hat uns schon häufiger unter die Arme gegriffen. So auch dieses Mal. Wir sagten die Podiumsdiskussion in der Schule ab und verlegten sie in die Kirche. Der Jugendring war der alleinige Ausrichter und konnte somit entscheiden, wen er einlädt und wen nicht. Die AfD jedenfalls war nicht dabei.
Die Bezirksregierung hatte mich daraufhin angewiesen, der AfD mitzuteilen, dass die Veranstaltung nicht mehr in der geplanten Form stattfinde. Also schrieb ich förmlich: Hallo, die Veranstaltung ist abgesagt. Mit freundlichen Grüßen. Die AfD war damit wohl nicht so glücklich. Mittlerweile war meine Schule Teil von drei Kleinen Anfragen im Landtag. In einer fragte die AfD die Landesregierung, warum ich bisher keine Disziplinarmaßnahme aufgedrückt bekommen hätte.
Nachdem die Veranstaltung stattgefunden und alles sich etwas beruhigt hatte, fiel mir ein: Es gibt die sogenannte Remonstrationspflicht. Beamte sind verpflichtet, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Anordnung geltend zu machen. Also setzte ich ein Schreiben an die Bezirksregierung auf. Ich schrieb, dass ich als Schulleiter nicht bereit sei, der Haltung und Weltanschauung der AfD in unserer Schule eine Bühne zu bieten. Und weiter: „Nach wie vor bin ich und fühle ich mich unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ganz und gar verpflichtet. Ihre Dienstliche Weisung bringt mich in einen Konflikt, dieser inneren und formalen Verpflichtung nachzukommen – wozu ich einmal einen Diensteid geschworen habe.“ Dass ich außerdem dazu genötigt wurde, der AfD mitzuteilen, dass die Veranstaltung an der Schule abgesagt wurde, obwohl ich die AfD nie eingeladen habe, nannte ich: demütigend.
Wir können Schule heute nicht mehr nur als Wissensvermittlung begreifen. Das können KI und Youtube besser als wir. Wir müssen den Kindern vermitteln, wie schön es ist, unter Menschen zu sein, liebevoll und freundlich und demokratisch zusammenzuleben. Dazu bedarf es einer demokratischen Haltung. Gerade bei uns Schulleitungen. Wenn die Kollegen und Kolleginnen den Eindruck gewinnen, dass sie nicht nach ihren Werten und ihrer Grundhaltung handeln können, kann das nicht funktionieren. Als Schulleiter zeige ich Haltung, damit die Lehrkräfte wissen: Wir können auch so agieren und er hält uns den Rücken frei.
Während der ganzen Sache mit der AfD habe ich einen enormen Rückhalt vom Kollegium gespürt. Sogar ein Schüler hat mir eine Karte geschrieben: „Sie sind Ihren Werten treu geblieben und haben sich für die Demokratie eingesetzt, das verdient höchsten Respekt.“ Ich habe Rotz und Wasser geheult.
Die Bezirksregierung Köln teilte uns auf Anfrage mit, dass zu einzelnen personalrechtlichen Verfahren keine Stellungnahme erfolgen kann. Bei Podiumsdiskussionen gelte der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, gleichzeitig müssten Vertreter:innen politischer Parteien nicht eingeladen werden, wenn durch deren Äußerungen der Schulfrieden konkret gefährdet sei.
Ohne Rückendeckung in der Schule wollte ich erstmal keine Lehrerin mehr sein

Als Gina Waibel beginnt, in sozialen Netzwerken öffentlich zu Vielfalt und Antirassismus zu posten, wird sie schnell angefeindet. Aber die Angriffe verfolgen sie auch in ihre Schule, die überschwemmt wird mit Beschwerden, Mails und Anrufen. | Foto: Philipp Sipos.
Anfang 2023 hat Friedrich Merz, damals noch kein Bundeskanzler, die Söhne von Migranten in der Talksendung von Markus Lanz „kleine Paschas“ genannt. Ich fand das unmöglich und habe ein Video dazu aufgenommen, das viral ging. Ab diesem Moment habe ich regelmäßig Videos auf Instagram hochgeladen, zu den Themen, die mir wichtig sind: Rassismus, Sexismus und Aufklärung. Ich wollte Lehrkräfte sensibilisieren und Missstände im Schulsystem aufzeigen.
Weil ich mich immer sehr deutlich gegen menschenfeindliche Positionen ausspreche, war ich schnell auf dem Radar von Rechtsextremen und der AfD. Erst griffen sie mich nur online an, schrieben Kommentare, beleidigten mich oder forderten meine Entlassung. Ein lokaler AfD-Politiker lud sogar ein Video über mich hoch. Darin sagte er, dass ich gegen die Neutralitätspflicht verstoßen würde und meinte, er würde sich gegen Linksradikalismus stellen. Ich hab ihn erst gar nicht ernst genommen. Aber dann hat er sich in dem Dorf in Baden-Württemberg, in dem ich unterrichtet habe, als Bürgermeisterkandidat aufstellen lassen. In der Lokalzeitung hat er angekündigt, dass er sich mit der Gemeinschaftsschule über Neutralität unterhalten wolle. Mir war klar, dass er damit mich meinte. Er wurde nicht Bürgermeister, aber 34 Prozent haben ihn gewählt. Das hat mir schon ein mulmiges Gefühl gegeben.
Auf der Plattform X wollte der Berliner AfD-Politiker Thorsten Weiß wissen, ob ich Schüler:innen manipuliere und ob es Unterrichtsmaterial gibt, das man ihm zuspielen könne. Er postete auch: „Weiß jemand an welcher Schule diese Lehrerin arbeitet? Ich möchte eine Dienstaufsichtsbeschwerde prüfen lassen.“ Er hat sogar veröffentlicht, an welcher Schule und in welchem Dorf ich unterrichte. Da hatte ich ein, zwei Wochen wirklich Angst. Meine Schule und der Elternbeirat haben ultraviele Mails bekommen. Es waren Anrufe auf dem Anrufbeantworter der Schule, in denen gesagt wurde, ich solle die Kinder in Ruhe lassen.
Ich habe auch anonyme Mails bekommen. In einer stand nur der Satz: „Alle Informationen sind bekannt.“ Ich habe eine vierjährige Tochter. Die habe ich an diesem Tag nicht in die Kita gebracht. Auf Instagram hat mir ein Typ Dickpics geschickt, also Bilder mit seinem Penis drauf, und sogar seinen Ausweis in die Kamera gehalten. Das war so widerlich.
Seit ich auf Instagram poste, erhalte ich auch in meiner Schule Gegenwind. Meine Kolleg:innen waren auf keinen Fall rechts oder so, aber viele haben auch nicht verstanden, was ich auf Instagram mache und warum ich antirassistisch sein möchte. Sie waren der Meinung, erst seit ich meine Arbeit an der Schule mache, gäbe es dort Rassismus. Eine Kollegin begann sich an meinem Content zu stören. Sie zeigte meiner Schulleitung meine Posts auf Instagram und meinte, ich würde mich nicht an den Beutelsbacher Konsens halten und das Neutralitätsprinzip verletzen.
Meine Schulleitung ging unter anderem deshalb mit mir zum Schulamt. Die Schulrätin und ich waren uns eigentlich einig, dass meine Posts meine Dienstpflicht nicht verletzen und dass ich das, was ich sage, auch sagen darf. Meine Schulleitung holte daraufhin einen zehnseitigen Brief heraus. Der habe an diesem Morgen auf ihrem Schreibtisch gelegen. Dort waren Posts von mir gesammelt, die angeblich nicht neutral genug seien.
Ein anderes Schreiben wurde direkt an das Regierungspräsidium Karlsruhe geschickt. Darin hieß es, dass Schüler:innen, die sich kritisch zur AfD äußerten, bei mir bessere Noten bekommen würden. Und andersherum, dass Schüler:innen, die eine andere politische Meinung als ich hätten, schlechtere Noten bekämen. Die Schulrätin forderte von mir eine schriftliche Stellungnahme dazu. Besonders interessierte sie, ob ich tatsächlich eine unterschiedliche Benotung vorgenommen hätte.
Das Ding ist: Das ist sowas von Bullshit. Ich achte sehr darauf, dass ich mit den Schüler:innen ein gutes Verhältnis pflege, die nicht meine politische Meinung haben. Ich will die nicht an die rechte Bubble verlieren. Von dem Schreiben habe ich nie wieder was gehört. Ich gehe davon aus, dass meine Schulleiterin wusste, wie hart ich von AfDlern angegangen werde. Ich habe mich von ihr aber in keiner Weise unterstützt gefühlt.
Für mich war es ganz komisch, dass mehrere Sachen gleichzeitig passiert sind: Einerseits wurde ich von der Staatsministerin eingeladen zum „Forum gegen Rassismus“ für den Schwerpunkt Schule. Ich wurde von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingeladen. Und gleichzeitig kommen zig Beschwerden bei meiner Schule rein, die ernst genommen werden, und ich muss mich für meine Arbeit rechtfertigen. Ohne Rückendeckung in der Schule wollte ich erstmal keine Lehrerin mehr sein. Deshalb konzentriere ich mich nun voll auf meine Bildungsarbeit.
Die Schulleiterin von Gina Waibel schrieb uns auf unsere Anfrage, dass sie sich nicht äußern könne, da der Vorgang bei der personalführenden Stelle des Regierungspräsidiums liege.
Ich war mir einhundertprozentig sicher, dass ich mit meinen Worten in der Schule Mainstream bin
Als Georg Grimm zu einer Demonstration für die Demokratie aufruft, folgen Beschwerdemail und eine Kleine Anfrage der AfD zu seinem Verhalten. Seine Schule ist verunsichert, dabei hatte die Landesregierung längst klargestellt, dass er nichts falsch gemacht hatte.
Es war im Januar 2024, ein Freitag. Die sechste Stunde war längst rum, ich saß in meinem Büro meines Gymnasiums. Da fiel mein Blick auf den Flyer zu einer Demo, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Ich habe mir gedacht: „Das ist jetzt wichtig.“ Also habe ich die Schüler und Schülerinnen der drei Oberstufen-Jahrgänge über die Infoplattform der Schule auf die Demonstration hingewiesen. Ich schrieb: „Wenn nun die neuen Nazis marschieren, Remigrationspläne schmieden und das Parteienprivileg des Art. 21 GG nutzen wollen, um diese freiheitlich-demokratische Grundordnung zu unterwandern, stellen wir uns dagegen: […] als jede Schülerin und jeder Schüler, als jede Lehrerin und jeder Lehrer! […] Daher treffen wir uns morgen um 13 Uhr am Stadtbrunnen […], um für Demokratie und Vielfalt zu demonstrieren!“
Ich war mir einhundertprozentig sicher, dass ich mit meinen Worten in der Schule Mainstream bin. Dass das nichts Sensationelles ist, wenn man dazu auffordert, zu einer Demo für Vielfalt und Demokratie zu kommen. Ich lebe hier seit 1998 und es gab soweit ich weiß vorher und nachher nie wieder eine größere Demonstration. Die ganze Straße war voll und mittendrin Schüler und Lehrkräfte von unserer Schule. Ich war so stolz. Wir sind alle am Samstag beseelt heimgegangen und haben gesagt: „Wow, geil, tolle Sache!“
In der Woche darauf sollte ich zum Direktor. Er schob ein Schreiben über den Tisch. Es war eine Mail von dem Kreisvorsitzenden der AfD, die an meinen Schulleiter gerichtet war. Dort stand: „Indem Herr Grimm Schüler […] aufgerufen hat, an einer politischen Versammlung teilzunehmen, die sich auch gegen die AfD richtet, hat er sowohl gegen das Neutralitätsgebot, das allen Beamten obliegt, als auch gegen das insbesondere an Schulen geltende Neutralitätsgebot […] verstoßen.“ Anschließend stellte er meinem Schulleiter Fragen zu mir. Unter anderem, welche Maßnahmen nun gegen mich eingeleitet werden würden. Meinem Schulleiter war es sehr wichtig, dass ich mich dazu nicht öffentlich äußere. Nur der Schulleiter darf die Schule nach außen vertreten. Er gab das Schreiben weiter an den Ministerialbeauftragten und an das Kultusministerium.
Ein paar Tage später meinte eine Kollegin zu mir: „Du bist auf Facebook!“ Der Kreisvorsitzende der AfD hatte seine Mail öffentlich auf seiner Facebook-Seite gepostet. Er hat meinen Namen zwar geschwärzt, allerdings konnte man den Anfangsbuchstaben sehen. An unserer Schule gibt es nur einen Oberstufenkoordinator, dessen Nachname mit „G“ anfängt.
Erst habe ich mir nichts dabei gedacht. Aber dann bekamen wir einen Anruf, meine Frau ging ans Telefon. Sie wurde sehr aggressiv angegangen. Der Anrufer hat mehrmals nachgefragt, ob sie die Frau von dem Lehrer sei, der seine Schüler zu Demos verpflichte. Ab diesem Moment sind wir zusammengezuckt, wenn das Festnetztelefon geklingelt hat. Irgendwann sind wir nicht mehr rangegangen. Wir fanden einen Brief über Remigration im Briefkasten, in dem es hieß, dass ich mich darüber mal informieren sollte. Das lokale Radio hat über die Kritik von dem AfDler an mir berichtet, auch die Lokalzeitung ist aufgesprungen und schrieb: „Verstoß gegen Neutralitätsgebot an Schule […]? AfD-Vorsitzender kritisiert Lehrer.“
Im Februar 2024 kam das Gerücht auf, dass die AfD eine Kleine Anfrage im Landtag zu mehreren Schulen in Bayern gestellt hätte, auch zu mir und meinem Aufruf zur Demo. Mein Schulleiter sollte eine Stellungnahme abgeben und hat mir die letzten Sätze dieser Stellungnahme auch gezeigt. Dort stellte er sich klar hinter mich. Ich selbst hatte aber weder die Kleine Anfrage noch die Fragen zur Stellungnahme je gesehen. Das war ein gruseliges Gefühl: zu wissen, dass eine Partei mich in einer Anfrage im Landtag namentlich nennt, Vorwürfe formuliert, aber nicht zu wissen, was genau da drin steht.
Die Beschwerde des AfD-Kreisvorsitzenden schien auch meinen Schulleiter verunsichert zu haben. Anfang 2025 sprach die AfD-Vorsitzende Alice Weidel mit dem US-Milliardär Elon Musk und behauptete, Adolf Hitler sei ein Kommunist gewesen. Ich fand: Das kann man so nicht stehen lassen. Also schrieb ich meinem Kollegium, dass wir gegenüber unseren Schülern klarstellen sollten, dass das Quatsch ist. Man sollte als Lehrer mit zwei Staatsexamen aus dem Stegreif erklären können, warum Hitler kein Kommunist war. Ich wollte nur eine Falschbehauptung der AfD richtigstellen, eine Selbstverständlichkeit. Aber mein Schulleiter verbot mir anschließend, weitere politische Nachrichten über die Plattform an Schüler oder Kollegen zu schicken. Das sei nicht der Zweck der Plattform.
Ich rief meinen guten Freund Benedict Wells, der mich seit der Mail des AfD-Kreisvorsitzenden in der Sache unterstützte hatte, an, einen bekannten Schriftsteller. Ich sagte: “Benedict, du wirst es nicht glauben, ich darf jetzt noch nicht mal mehr den Schülern schreiben, dass Hitler kein Kommunist war.“ Der war erschrocken. Er war gerade dabei, seinen Text zum „Stand der Dinge“ über die Parallelen zwischen AfD und NSDAP zu schreiben. Ich fand, dass der Text ein wunderbarer Input für unseren Unterricht sein könnte. Also schickte Benedict den Text an die Schulleitung, immerhin ist er unser Pate des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, ich schickte den Text meinen Kollegen.
Mir war schon klar, dass mein Chef das nicht gut finden würde. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass er mir verbieten würde, diesen Text im Unterricht zu verwenden. Aber er hat es getan, weil es kurz vor der Bundestagswahl war und weil aus Gründen der Neutralität vermieden werden sollte, für oder gegen Parteien zu werben.
Was aus der Kleinen Anfrage geworden ist, wurde uns an der Schule nie mitgeteilt. Es verging Monat um Monat und erst eine Journalistin der ZEIT, die über mich berichtete, fand heraus, dass das Kultusministerium längst auf die Kleine Anfrage geantwortet hatte – und zwar in meinem Sinne. Schwarz auf weiß stand da: Es gab keine Dienstpflichtverletzung.
Dass das Kultusministerium mir offiziell den Rücken gestärkt hatte, wusste nur lange niemand. Hätten wir diese Sicherheit gehabt, wäre die Aufregung um vermeintliche politische Äußerungen nicht so groß gewesen. So aber ist der Stand der Dinge: Die Vorwürfe vom AfD-Vorsitzenden, in denen er öffentlich behauptet, ich würde gegen meine Dienstpflicht verstoßen, stehen weiter im Internet. Und ich, der Lehrer, der zur Demo für Demokratie aufruft, werde gebeten, keine politischen Nachrichten mehr zu verschicken.
Ich finde es extrem gefährlich, wenn Schulleitungen denken, sie müssten neutral sein

Andreas Golus-Steiner ist Schulleiter der Fichtenberg-Oberschule in Berlin-Steglitz. Als seine Schüler:innen eine Demo gegen rechts organisieren, unterstützt er die öffentlich – und gerät ins Visier der AfD. | Foto: Philipp Sipos.
Im Februar 2024 haben Schüler:innen meiner Schule eine Demo in unserem Stadtteil veranstaltet. Das Motto war: „Schule gegen rechts – 1933 soll im Geschichtsbuch bleiben“. Das war kurz nachdem Correctiv über die Remigrationspläne der AfD berichtet hatte. Ich kündigte die Demo in unserem Schul-Newsletter an und informierte meine Schulleitungskolleg:innen im Bezirk mit meiner Dienstmail über die Demo. Ich war stolz, dass meine Schüler:innen das organisiert hatten. Ich schrieb, dass ich die Teilnahme an der Demonstration als Unterricht an einem anderen Ort verstehe.
Die Schulaufsicht rief mich noch am selben Tag an und führte ein ermahnendes Gespräch mit mir. Ich durfte die Demo nicht als Unterricht deklarieren. Das habe ich eingesehen und meine Mails korrigiert. Unterstützt habe ich die Demo trotzdem ausdrücklich.
Die Demo war ein voller Erfolg. Die AfD hat daraufhin zwei Kleine Anfragen im Abgeordnetenhaus und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen mich gestellt. Es steckte immer derselbe AfD-Politiker dahinter: Thorsten Weiß, der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion in Berlin. Er forderte Akteneinsicht zu Schriftverkehr von 2018 bis 2024, um mutmaßlich beweisen zu können, dass ich Amtsvergehen begangen habe. Die Schulaufsicht wollte daraufhin, dass ich meine gesamten Mails ausdrucke, ein dicker Leitz-Ordner war das. Das waren zwei Tage Arbeit für mich und drei Tage Arbeit für den Mitarbeiter von der Aufsicht. Die haben dem AfDler tatsächlich alle meine Mails zu der Sache gegeben.
Ein Jahr später gab es eine zweite Demo, wieder organisiert von Schüler:innen meiner Schule. Diesmal hatte mich das Schulamt vorab dazu angehalten, die Demo nicht als Schulveranstaltung zu deklarieren. Ich habe die Demo trotzdem öffentlich unterstützt. Auf unserer Schulhomepage habe ich einen Newsletter veröffentlicht und einen Beitrag auf Instagram zur Demo geteilt. Im Newsletter schrieb ich: Wer zur Demo geht, fehlt unentschuldigt.
Ich schrieb aber auch: „In der gleichen Rolle verweise ich aber auch auf unser von der Schulgemeinschaft beschlossenes Schulprogramm und zitiere den ERSTEN SATZ: Unser Ziel ist es, Urteilsfähigkeit zu fordern, um damit selbstständig und eigenverantwortlich in einer vernetzten Welt politisch handeln und soziale Verantwortung für die Zukunft übernehmen zu können.“ Der Titel der Demo war: „Eure Wahl, unsere Zukunft“. Soweit ich weiß waren 2.000 Schüler:innen auf der Straße.
Die AfD hat wieder eine Kleine Anfrage gestellt und ich wurde erneut zu einem sogenannten Beratungsgespräch mit dem Schulamt eingeladen. Dort ging es darum, dass Schulleiter sich politisch neutral verhalten sollten. Ich habe deutlich gemacht, dass ich nicht auf politische Äußerungen im Sinne des Grundgesetzes und Schulgesetzes verzichten werde.
Ich finde es verwunderlich, dass ich eine Exkursion in eine Gedenkstätte machen, aber nicht auf eine Demo gehen darf, bei der es darum geht, Grundrechte zu wahren und für das Grundgesetz einzustehen. Der erste Paragraph des Schulgesetzes in Berlin besagt doch: „Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus (…) entschieden entgegenzutreten.“ Ich habe das Gefühl, dass die Menschen im Schulamt meine Sicht teilen, sie aber Vorgaben haben, an die sie sich halten müssen.
Seitdem ich Schulleiter bin, verschicke ich Newsletter, in denen ich auch Gedanken zur politischen Lage teile. Als die AfD 2018 das Petzportal eingeführt hat, bin ich in meiner Haltung noch klarer geworden. Einigen meiner Schulleitungskolleg:innen gefällt das nicht. Ich finde es extrem gefährlich, wenn Schulleitungen denken, sie müssten neutral sein. Wir haben eine Vorbildfunktion: Wenn sich der Schulleiter nicht traut, etwas zu sagen, ist das ein fatales Signal. Lehrkräfte und Schüler:innen brauchen jemanden, der ihnen den Raum gibt, sich demokratiefreundlich zu äußern. Sie brauchen jemanden, der hinter oder vor ihnen steht. Das versuche ich.
An unserer Schule hängt eine Regenbogenfahne. Vierzehnmal wurde sie schon geklaut. Wir haben Anzeige erstattet. Wir gehen davon aus, dass ein einzelner Täter für die meisten Diebstähle verantwortlich ist. Er wurde auch auf frischer Tat ertappt, das Verfahren aber wegen Geringfügigkeit eingestellt. Ich habe mittlerweile ein Lager an Regenbogenfahnen. Die Eltern unserer Schule haben 1.000 Euro gespendet, von dem Geld habe ich 100 Regenbogenfahnen gekauft. Wenn eine geklaut wird, hänge ich am nächsten Morgen eine neue auf.
Der Berliner Senat teilte uns auf Anfrage mit, dass er sich zu internen Geschäftsprozessen grundsätzlich nicht öffentlich äußert. Zu der Akteneinsicht der Mails schrieb der Senat: Abgeordnete haben nach Artikel 45 der Berliner Landesverfassung das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung. Der Umfang der Akten oder der damit verbundene Arbeitsaufwand seien für die Ausübung dieses Rechts unerheblich.
Wir haben alle von den Protagonist:innen genannten Personen um Stellungnahme gebeten. Wenn sie uns geantwortet haben und neue Erklärungen oder gegenteilige Darstellungen genannt haben, haben wir dies unter den jeweiligen Geschichten gekennzeichnet.
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Redaktion: Astrid Probst, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert und Iris Hochberger