Auf dem Bild sieht man die Schemen von einem Mann und einer Frau, die vor einem abstrakt gezeichneten Haus davonlaufen.

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Geld und Wirtschaft

Höhere Steuern? Viele Reiche wandern trotzdem nicht aus

Ein Blick in andere Länder zeigt, dass Steuerflucht im großen Ausmaß ein Mythos ist.

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Praktikantin

KR-Mitglied Flo fragt: „Wandern alle Reichen aus, wenn Deutschland eine Vermögenssteuer erhebt?“

Die Vermögenssteuer wieder einführen, das fordern in Deutschland Parteien wie die SPD, Grüne oder Linke. Sie fordern es seit Jahrzehnten vergeblich.

Anders Frankreich: Das Land diskutierte gerade wochenlang, sehr hohe Vermögen wieder zu besteuern, nachdem Präsident Emmanuel Macron die Vermögenssteuer 2017 abschaffen ließ. Wie nah das Land dabei ist, die Steuer tatsächlich wieder zu erheben, zeigt ein seltenes Interview des reichsten Mann des Landes. Bernard Arnault, Eigentümer der Luxusmarken-Holding LVMH, warnte in einer britischen Zeitung persönlich vor der Steuer.

Laut der Nichtregierungsorganisation Oxfam entgingen Deutschland bis 2023 rund 380 Milliarden Euro, seitdem die Vermögenssteuer seit 1997 nicht mehr erhoben wird. In Umfragen sprechen sich 69 Prozent der Deutschen für eine Wiedereinführung aus.

Gegner der Steuer warnen jedoch: Sie vertreibe reiche Menschen aus dem Land. Der Staat hätte am Ende weniger Steuereinnahmen und Investitionen brächen ein. Unter anderem argumentierten der Bundesverband der Deutschen Industrie und Ex-Finanzminister Christian Lindner so gegen die Steuer.

Ein Blick auf andere Länder zeigt: Das stimmt so nicht.

Das Kapital ist nicht so flüchtig, wie oft behauptet wird

In Schweden und Dänemark verließen bei einer Steuererhöhung nur etwa zwei Prozent der Wohlhabenden das Land, mit nur sehr geringen wirtschaftlichen Folgen. Als Schweden 2007 die Vermögensteuer abschaffte, sank die Wahrscheinlichkeit, dass Reiche auswandern, der Effekt blieb aber minimal. Nachbar Norwegen erhöhte 2022 die Vermögenssteuer. Von den 3.400 Reichsten zogen nur 46 weg. Trotzdem stiegen die Einnahmen um rund 55 Prozent.

Nachdem Großbritannien Auslandseinkommen stärker besteuerte, zogen zwar ein paar (4,9 Prozent) der Vermögenden weg, die Steuereinnahmen stiegen aber um über 50 Prozent. Das ergab eine aktuelle Studie dreier britischer Ökonomen.

Das „Kapital“ ist also weniger flüchtig, als oft behauptet wird. Weitere Studien untersuchten Steuerflucht nach Einkommensteuerreformen auf regionaler Ebene. Das sind wertvolle Untersuchungen, weil sie zeigen, wie stark wohlhabende Personen generell auf Steuerunterschiede reagieren, da vieles andere (Sprache, System) gleich bleibt.

  • In Spanien war der Einnahmeverlust durch Abwanderung kleiner als der Gewinn durch die höheren Sätze.
  • In US-Bundesstaaten findet Steuerflucht nur „am Rande der statistischen und sozioökonomischen Bedeutung“ statt. Millionäre ziehen selten in andere Bundesstaaten, um Steuern zu sparen.

Die Studienlage zeigt also: Höhere Steuern, seien es Einkommens- oder Vermögenssteuern, verursachen zwar vereinzelt Steuerflucht, aber eher als Randphänomen. Unter dem Strich nimmt der Staat mehr Geld ein.

Dubai ist „langweilig“

Aber warum ziehen Superreiche nicht einfach weg, um Steuern zu sparen?

Hinter jedem Milliardenvermögen steht ein Mensch mit Bindungen und Interessen. Soziolog:innen nennen deren Verwurzelung das „ortsgebundene soziale Kapital“. Familienunternehmen bestehen etwa oft seit Generationen und verfügen über breite Netzwerke und Beziehungen. Das lässt sich nicht einfach verlagern. Laut einer soziologischen Studie bleiben reiche Londoner lieber in ihrer Stadt, als in „kulturell langweilige“ Steueroasen wie Dubai zu ziehen.

Aber eine Einschränkung ist wichtig: Die Erfahrungen anderer Länder mit Steuerreformen lassen sich nicht zwangsläufig auf Deutschland und die Vermögenssteuer übertragen. Denn jedes Land hat verschiedene Normen, Institutionen und im Detail auch verschiedene Steuergesetze. Es ist möglich, dass die Ergebnisse aus dem Ausland hierzulande anders ausfallen können. Laut Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin fehlen in Deutschland zudem verlässliche Daten zu den sehr Vermögenden. Das erschwere präzise Schätzungen zu den Folgen einer Steuererhöhung.

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Dennoch scheint einiges dafür zu sprechen, dass Steuerflucht hierzulande (auch ohne Vermögenssteuer) noch unwahrscheinlicher ist. Denn ein Wegzug ist für Reiche nämlich abschreckend teuer. Wer Deutschland verlässt, zahlt in der Regel rund 26 Prozent Wegzugsteuer auf das Vermögen. Auch Unternehmensverlagerung kostet viel. Damit gilt Deutschland international als Vorbild bei der Eindämmung von Steuerflucht.

Hinzu kommt, dass deutsche Milliardäre anscheinend relativ sesshaft sind. Laut Oxfam zogen schätzungsweise 29 von den 226 deutschen Milliardär:innen weg, obwohl sie längst anderswo niedrigere Einkommens- oder Erbschaftssteuern zahlen könnten.

All das spricht dafür, dass auch für deutsche Vermögende ein Wegzug finanziell und persönlich unattraktiv wäre. Geld allein macht einen Ort eben nicht lebenswert.

Der Musiker Peter Fox bringt das in seinem Lied über Dubai-Auswanderer „Kein Regen in Dubai“ auf den Punkt: „Alle deine Freunde sind weit, weit weg, so weit weg / Und du gehst wieder früh ins Bett.“


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Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Gabriel Schäfer, Audioversion: Christian Melchert

Höhere Steuern? Viele Reiche wandern trotzdem nicht aus

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