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Hi!
Neulich war ich eine Woche lang komplett offline. Ich mache das jedes Jahr im Sommer. Vorher sage ich allen Menschen, die sich Sorgen machen könnten, dass ich bis zum nächsten Sonntag nicht ansprechbar sein werde. Für mich ist es die beste Zeit des Jahres. Jedes Mal. Wenn ich zurückkomme und zu erklären versuche, warum dieser Rückzug mir so guttut, fühle ich mich aber wie ein totaler Weirdo.
Zehnmal besser als richtig gut schlafen
Ich habe den Verdacht, dass andere Menschen meine Offline-Zeit gar nicht komisch finden. Es liegt an mir. Irgendwie bereitet diese Zeit mir leichte Schuldgefühle, wie wenn man sich auf einer Party zu lang ins Bad verzieht, weil einfach alles zu laut und zu voll ist. Und wenn man rauskommt, steht da René, mit dem du Abi gemacht und den du seit zwanzig Jahren nicht gesehen hast. René stellt Fragen wie „Was würdest du jetzt tun, wenn du keine Angst hättest?“, und du weißt nicht, ob das eine wirklich interessante existenzielle Frage ist, oder ob René einfach rummachen möchte. Und du wünschtest, du wärst noch etwas länger im Bad geblieben.
Tatsache ist, ich tanke auf, wenn ich nicht kommuniziere. Nach meiner Offline-Woche fühle ich mich wie nach einem langen, erholsamen Schlaf, nur zehnmal so gut. Jedes Mal frage ich mich hinterher, warum ich es nicht hinkriege, im Alltag weniger zu reden. Okay, ich habe einen extrem kommunikativen Beruf. Aber daran allein liegt es nicht. Ich schaffe es einfach nicht, schweigend an einem Tisch mit anderen Menschen zu sitzen. Ich fühle mich selbst dann verpflichtet, Audionachrichten abzuhören und Textnachrichten zu verschicken, wenn gerade niemand etwas von mir will. Mein Handy länger als zwei Stunden im Flugmodus zu lassen, kommt mir asozial vor.
Warnmeldungen und Mode? Brauche ich!
Es ist natürlich leicht, Handys, sozialen Medien und dergleichen die Schuld daran zu geben, dass Schweigen im Alltag so schwierig ist. Aber dank ihnen fühlt sich die Welt wie ein gewaltiger Konferenzraum, in dem Milliarden Menschen ständig miteinander reden. Und es wäre unhöflich bis fahrlässig, diese Gespräche zu verpassen. Was, wenn jemand etwas Wichtiges sagt? Oder etwas Lustiges? Was, wenn ich genau dann offline bin, wenn die Bundesregierung eine Katastrophenwarnung versendet?
Außerhalb meiner sommerlichen Rückzugszeit fällt es mir sehr schwer, diesen Raum auch nur einen Tag lang zu verlassen. Obwohl ich genau weiß, dass mir an den meisten Tagen niemand eine Katastrophenwarnung schicken wird. Sondern eher Insta-Videos wie dieses von einem jungen Mann, der sich täglich im Regency-Stil vom Anfang des 19. Jahrhunderts kleidet.
Aber schulde ich es der Welt nicht, das zu sehen?
Text der Woche
Ich kann nicht zählen, wie oft ich miterlebt habe, dass Menschen einander ADHS aus dem Handgelenk diagnostizieren – als wäre es so harmlos und alltäglich wie ein Schnupfen. Lange hielt ich es für eine Mode-Diagnose. Mein Kollege Hugo Danz dachte ähnlich. Dann ließ er sich testen. Sein Text ist nicht nur unterhaltsam und geht nahe, er hat mich auch zum Umdenken gebracht.
Frage der Woche
Bist du zufrieden damit, wie viel Zeit du am Handy verbringst?
Schreibe mir deine Antwort gern per E-Mail an weird@krautreporter.de.
Eure Antworten
Letzte Woche hat Martin euch hier gefragt, ob es etwas gibt, das ihr aus der Zeit des Corona-Lockdowns vermisst.
Keine Flugzeuge am Himmel, viel weniger Autos, keine lauten Partys, das war im ersten Lockdown schön. Der Himmel klarer … Sonst war’s ziemlich doof, aber die Ruhe war gut, eine Verschnaufpause. Wir wussten ja auch nicht, was noch kommen würde und niemand konnte sich vorstellen, dass die ganze Sache so lange dauern würde.
Falks Blick auf die Welt

Neulich hatte ich so einen Tag, an dem mir alles runtergefallen ist – Computer, Blumentopf, Kaffeetasse. Jemand meinte schon wieder, das sei bestimmt ADHS, aber wahrscheinlich war es nur ein Montag.
Bis nächste Woche!
Theresa Bäuerlein