Donald Trump am Rednerpult vor leeren Patronenhülsen

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Politik und Macht

Für Trump läuft es schlecht – braucht er deshalb einen Krieg?

Ein Modell aus der Faschismus-Forschung erklärt, warum die USA Kriegsschiffe nach Venezuela schicken.

Der russische Schriftsteller Anton Tschechow sagte einmal über Theaterstücke: „Wenn du im ersten Akt eine Pistole an die Wand hängst, muss sie im zweiten oder dritten Akt unbedingt abgefeuert werden.“ Er meinte damit, dass jedes Element einer Geschichte einen Zweck erfüllt.

Politiker:innen sind zwar keine Dramatiker:innen, aber sie erzählen Geschichten, um ihre Politik zu rechtfertigen. Das gilt auch für US-Präsident Donald Trump. Seit Monaten behauptet er, Venezuelas linksautoritärer Präsident Nicolas Maduro kontrolliere mächtige Kartelle, die Drogen in die USA schmuggelten. Letztlich sei das der Grund, weshalb zahlreiche US-Bürger:innen unter Drogenabhängigkeit leiden und Bandenmitglieder als Migrant:innen getarnt in die USA kommen würden.

Zuletzt hängte Trump immer mehr Waffen an die Wand, um bei Anton Tschechows Metapher zu bleiben: Trump verlegte den größten Flugzeugträger der Welt, Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge, Bomber, Drohnen und Spionageflugzeuge in die Karibik. Rund 15.000 US-Soldaten sind inzwischen in der Region stationiert. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA ist laut Trump in Venezuela aktiv. Und in den vergangenen Monaten hat das US-Militär bereits mehr als 80 Menschen in der Karibik und im östlichen Pazifik in Booten getötet. Angeblich, um den Drogenschmuggel zu bekämpfen. Jurist:innen sagen: Die außergerichtlichen Tötungen sind höchstwahrscheinlich illegal.

Die New York Times berichtet währenddessen aus Insider-Kreisen, dass der US-Präsident noch nicht entschieden hat, wie das Endgame gegen Venezuela aussehen soll: begrenzte Luftschläge, verdeckte Operationen oder doch ein offener Angriff? „Ich schließe nichts aus“, sagte Trump zuletzt. Klar ist: Trump will Nicolas Maduro loswerden und würde vermutlich gern Zugang zu den größten Ölreserven der Welt bekommen, die in Venezuela liegen.

Es gibt aber noch andere Gründe, warum Trump einen Krieg, wenn auch einen begrenzten, gegen Venezuela braucht. Und die hängen vor allem damit zusammen, dass Trump in den USA selbst gerade ziemlich viele Probleme hat.

Wo es für Trump gerade schlecht läuft

„Die Kaffeepreise waren etwas hoch, jetzt werden sie in Kürze niedrig sein“, sagte Trump Mitte November, als er ankündigte, die Zölle auf einige Lebensmittel wieder zurückzunehmen. Kaffee, Rindfleisch, Tomaten und Bananen sollen wieder günstiger werden. Denn zuvor waren die Preise für Lebensmittel in den USA enorm gestiegen: Im September war Kaffee rund 40 Prozent teurer als im Vorjahr, Hackfleisch vom Rind fast zwölf Prozent. Steaks kosteten fast 13 Prozent mehr und die Preise für Bananen lagen rund acht Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahres.

Trumps Ankündigung, die Zölle für bestimmte Lebensmittel zurückzunehmen, war vermutlich eine Reaktion auf die Wahlniederlagen der Republikaner im November. Im US-Bundesstaat Virginia gewann die Demokratin Abigail Spanberger als erste Frau die Wahl zur Gouverneurin. In New Jersey wurde mit Mikie Sherill eine weitere Demokratin zur Gouverneurin gewählt. International bekam vor allem der Sieg des linken Demokraten Zohran Mamdani bei der Bürgermeisterwahl in New York viel Aufmerksamkeit.

Mamdani ist erst 34 Jahre alt und der erste muslimische Bürgermeister der Stadt. Sein Wahlkampf setzte vor allem darauf, die Lebenskosten wieder zu senken, Mieten zu regulieren und Reiche zu besteuern. In New Jersey war die wirtschaftliche Lage laut Nachwahlbefragungen das wichtigste Wahlthema und einer der wichtigsten Gründe, weshalb die Wähler:innen für die Demokraten stimmten.

Das ist ein dramatischer Umschwung: Wähler:innen, die angaben, dass die Wirtschaft für sie das wichtigste Thema sei, wählten zu 80 Prozent Trump. Bei den Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey wählten Menschen, denen die Wirtschaft wichtig ist, zu zwei Dritteln die Demokraten.

Die Wahlergebnisse zeigen also, wie die steigenden Lebenskosten zu einem Problem für Trump und die Republikaner werden – besonders vor den Zwischenwahlen, die im November 2026 anstehen. Darauf weisen auch jüngste Umfragen des rechtskonservativen TV-Senders Fox News hin. Im November gaben drei Viertel der Befragten an, die US-Wirtschaftslage als schlecht einzuschätzen, während 60 Prozent auch ihre persönlichen Finanzen als mittelmäßig oder schlecht bezeichneten.

Die Stimmung ist schlecht und die meisten Wähler:innen sehen die Schuld bei Trump

Ein Großteil der Befragten sagte zudem, dass ihre Ausgaben für Lebensmittel, Versorgungsleistungen, Gesundheitsversorgung und Wohnen in diesem Jahr gestiegen seien. Laut einer regelmäßig erhobenen Umfrage der University of Michigan zur Verbraucherstimmung hat die US-Bevölkerung derzeit eine schlechtere Meinung von der US-Wirtschaft als unmittelbar nach der Finanzkrise 2008 oder Mitte 2022, als die Inflation bei rund neun Prozent lag.

Die Schuld sehen die meisten bei US-Präsident Trump. Auch das zeigt die Umfrage von Fox News: 62 Prozent der Wähler:innen glauben, dass Trump, und nicht Joe Biden, für die aktuelle Wirtschaftslage verantwortlich ist. 46 Prozent sagen, dass seine Wirtschaftspolitik ihnen geschadet habe. Die Ablehnung seiner gesamten Amtsführung erreichte sogar in seiner Kernwählerschaft einen neuen Rekordwert von 58 Prozent.

Zur Lebenskosten-Krise und den Wahlniederlagen kommt aktuell noch die Debatte um den Epstein-Skandal, die mein Kollege Finn Gessert hier verständlich erklärt. Trump hatte vor seiner Wahl versprochen, den Skandal um Epstein und sein Umfeld vollständig aufzuklären. Anschließend sträubte er sich lange, die sogenannten Epstein-Files, also Ermittlungsdokumente zu dem Fall, öffentlich zu machen. Dafür kritisierten ihn auch Republikaner:innen und Personen aus der MAGA-Bewegung.

Epstein ist ein Sexualstraftäter, der ein Netzwerk minderjähriger Frauen für Sex betrieben haben soll. Unter den jüngst veröffentlichten Dokumenten war auch eine E-Mail von Epstein an Trump. Dort schrieb Epstein, Trump habe „von den Mädchen gewusst“ und „Stunden“ mit einem Missbrauchsopfer verbracht. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Trump durch weitere belastende Dokumente noch stärker unter Druck gerät.

Es läuft also derzeit nicht gut für den US-Präsidenten. Möglicherweise ist ein, wenn auch begrenzter, Krieg gegen einen äußeren Feind eine Möglichkeit für ihn, um von der innenpolitischen Lage abzulenken. Faschistische Bewegungen greifen oft zu diesem Mittel, wenn sie an der Macht sind.

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Faschistische Bewegungen müssen ihre Anhängerschaft bei Laune halten – und ja, Trump ist wahrscheinlich faschistisch

Es gibt seit Jahren eine Debatte darüber, ob Donald Trump und die MAGA-Bewegung faschistisch sind. Es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Robert Paxton, einer der renommiertesten Faschismusforscher der Welt, weigerte sich lange, den Begriff zu benutzen. 2021, nach dem Sturm auf das Kapitol änderte er seine Meinung, wie er in einem Kommentar für das US-Magazin Newsweek erklärte.

In seinem Buch „Die Anatomie des Faschismus“ PDF definiert Paxton Faschismus als „Form des politischen Verhaltens“, das durch eine „obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft“ bestimmt sei. Das heißt, es ist nicht so wichtig, was faschistische Bewegungen denken, sondern wie sie sich verhalten. Sie sind besessen vom vermeintlichen Untergang der eigenen Gemeinschaft, sehen sich als Opfer und wollen sich dagegen wehren. Sie bestehen aus Massenbewegungen, die sich mit traditionellen Eliten zusammenschließen, um demokratische Freiheiten aufzugeben. Und sie versuchen, den angeblich bevorstehenden Untergang durch Gewalt gegen innere und äußere Feinde abzuwenden.

Paxton hat die faschistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts jahrzehntelang untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass sie sich stets in fünf Stufen entfalten. In der Anfangsphase entsteht Faschismus als Protestbewegung, die das Gefühl von Krisen und Erniedrigung für sich nutzt. Charismatische Führungspersonen setzen sich an die Spitze der Bewegungen, die sich als letztes Mittel gegen den drohenden Untergang präsentieren.

Im zweiten Schritt versucht die Bewegung, im politischen System Fuß zu fassen. Sie baut eine Massenbasis aus und sucht die Zusammenarbeit mit traditionellen politischen Kräften. Gleichzeitig nutzt sie Propaganda, um ihre Weltsicht zu verbreiten und schüchtert Gegner:innen ein.

Im dritten Schritt gelangen Faschist:innen an die Macht, in der Regel durch Koalitionen oder Zusammenarbeit mit konservativen Eliten. Dann, im vierten Schritt, beginnen sie, den Staat umzubauen. Sie unterdrücken politische Gegner:innen, bauen Institutionen um, forcieren ultranationalistische Politik und stellen Medien, Verwaltung, Justiz, Kultur unter ihre Kontrolle. Kurz: Sie verwandeln den Staat Schritt für Schritt in ein autoritäres System.

In der letzten Stufe gibt es dann zwei Optionen: Entweder die faschistische Herrschaft radikalisiert sich oder sie zerfällt. Wenn sie sich radikalisiert, kommt es zu innenpolitischen Gewaltwellen, rassistischen Verfolgungen und einer expansiven Außenpolitik bis hin zu Angriffskriegen. Eine Sache ist für Paxton aber klar: Faschismus tendiert von Natur aus zur Eskalation, um seine Anhängerschaft immer in Bewegung zu halten. Um permanente Krisen zu schaffen, die er für sich nutzen kann. Sonst wendet sich die Anhängerschaft enttäuscht ab.

Trump muss eskalieren und deshalb einen Krieg anfangen

In den USA lassen sich seit Jahresbeginn zahlreiche Tendenzen der letzten Stufe beobachten: Die Trump-Regierung besetzt Institutionen mit loyalen Anhänger:innen, schüchtert Medien, Justiz und Kultur ein. Sie schickt die Nationalgarde unter Vorwänden in progressive Städte. Und sie lässt maskierte Agenten im ganzen Land Menschen festnehmen und in Foltergefängnisse abschieben, in denen sie isoliert, zusammengeschlagen, sexuell missbraucht oder angeschossen werden.

Die permanente Eskalation ist der Lebensmodus des Trumpismus, der sich aktuell zwischen der vierten und fünften Phase von Paxtons Modell befindet. Innenpolitisch läuft es schlecht, vor den anstehenden Zwischenwahlen wenden sich seine Wähler:innen von ihm ab, die Wirtschaft floriert nicht wie versprochen.

Wer diesen politischen Moment durch die Brille von Paxtons Faschismusforschung betrachtet, sieht: Trump muss jetzt versuchen, die eigene Anhängerschaft bei Laune zu halten und eine weitere Eskalation suchen. Im Inneren gelingt das möglicherweise, indem die Regierung gegen Migrant:innen vorgeht. Doch Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der US-Bevölkerung ablehnt, wie das ICE vorgeht. 53 Prozent der Befragten sind dagegen, selbst unter Republikaner:innen sind immerhin 13 Prozent dagegen.

Deshalb braucht Trump die begrenzte militärische Eskalation außerhalb der USA. Wer permanent ein äußeres Feindbild aufbaut, muss die Eskalationsspirale weiter drehen, um seine Anhängerschaft nicht zu verlieren. Im Fall von Venezuela arbeitet Trump seit Jahren an seiner Erzählung. Das Land steht laut Trump für alles, was eine Gefahr für die USA ist: ein linker Diktator, der Migranten und Drogen in den Norden schickt.

Frei nach Anton Tschechow könnte man sagen: Wenn faschistische Bewegungen im ersten Akt einen äußeren Feind aufbauen und für alles Schlechte – Drogen, Migration, Gewalt – verantwortlich machen, dann muss im zweiten Akt angegriffen werden. Sonst sind die Zuschauer enttäuscht und wenden sich ab.


Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Gabriel Schäfer, Audioversion: Christian Melchert

Für Trump läuft es schlecht – braucht er deshalb einen Krieg?

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