Eine Frau verdeckt ihr Gesicht mit einem Buch

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Gute Nachrichten

6 Sachbücher, die viel mehr Menschen lesen sollten

Du suchst ein gutes Sachbuch für den Sommerurlaub? Hier kommen unsere Empfehlungen.

Profilbild von Iris Hochberger, Rebecca Kelber, Astrid Probst, Nina Roßmann, Isolde Ruhdorfer und Sinan Sağlam

Letzte Woche haben wir dir Romane empfohlen, die du vielleicht noch nicht kennst, heute sind es Sachbücher. Unsere Empfehlungen helfen dir, die Finanzwelt besser zu verstehen, die Debatte um Veganismus zu begreifen und führen dich in die Welt der beiden Berliner Zoos ein.


Der Zoo der Anderen: Als die Stasi ihr Herz für Brillenbären entdeckte & Helmut Schmidt mit Pandas nachrüstete von Jan Mohnhaupt

Astrid Probst

Der Zoo der Anderen: Als die Stasi ihr Herz für Brillenbären entdeckte & Helmut Schmidt mit Pandas nachrüstete von Jan Mohnhaupt, 2017, Hanser, Carl GmbH + Co.

Der Zoo der Anderen: Als die Stasi ihr Herz für Brillenbären entdeckte & Helmut Schmidt mit Pandas nachrüstete von Jan Mohnhaupt, 2017, Hanser, Carl GmbH + Co.

In Berlin gibt es gleich zwei Zoos: Den Zoologischen Garten Berlin im Westen und den Tierpark Friedrichsfelde im Osten. 1844 wurde der im Westen gegründet, 1958 der im Osten. Zu einer Zeit, als es zwar Sektoren gab, aber keine Grenzen. Der neue Tierpark war trotzdem ein politischer Schritt. Der Wunsch: Die Ost-Berliner würden weniger in den Westen reisen, wenn sie ihren eigenen Zoo haben.

Doch mit der Zeit entwickelte sich ein Wettkampf. Und ein Wettrüsten. Nur eben mit Tieren. Auf der Westseite war Heinz-Georg Klös Zoo-Chef, im Osten herrschte Heinrich Dathe als Tierpark-Direktor. Der Journalist Jan Mohnhaupt zeigt in diesem Buch, wie beide mithilfe von Partnerstädten und befreundeten Zoos immer mehr Tiere beschafften. So kämpften beide darum, mehr Elefanten als der andere zu besitzen. Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, soll den Streit noch befeuert haben und beschwerte sich bei Klös, als der Tierpark mehr Elefanten hatte. Also sagte Brandt in etwa: Kaufen Sie zwei mehr!

Das Wettrüsten endete auch nicht, als die Berliner Mauer errichtet wurde. Vielmehr verstärkte sich der Kampf darum, den Klassenfeind auszustechen. Zur Not eben auch mit Pandas.

Mohnhaupt zeigt mit seinem Buch, welche absurden Auswüchse der Kalte Krieg nahm, wie der Tierpark und der Zoo zu Prestigeprojekten wurden und erzählt dabei viel über das geteilte Deutschland.


Unter Bankern von Joris Luyendijk

Rebecca Kelber

Unter Bankern. Eine Spezies wird besichtigt von Joris Luyendijk, 2015, Tropen.

Unter Bankern. Eine Spezies wird besichtigt von Joris Luyendijk, 2015, Tropen.

Kommt ein Anthropologe, Ende 30, in die Londoner City. Unter dieser Prämisse geht das Buch „Unter Bankern“ los. Erfrischend naiv versucht der niederländische Journalist für den Guardian, die Arbeit der Banker der Londoner Finanzwelt zu verstehen. Er geht der Frage auf den Grund, was genau bei der Finanzkrise 2008/9 passiert ist und wie Banker weiter in den Spiegel gucken können. Aber dafür muss er erstmal verstehen, dass nicht jeder Banker die gleiche Arbeit macht. Denn am Anfang weiß er nicht mehr über die Finanzwelt als ein durchschnittlicher Zeitungsleser.

Um das zu ändern, hat Luyendijk mit gut 200 Menschen gesprochen, die in der Finanzwelt arbeiten und sich so dem Thema immer weiter angenähert. Genau das macht es auch für all die angenehm zu lesen, die bei Wirtschaftsthemen schnell abschalten. Es wimmelt nur so von Menschen, ganz unterschiedlichen Figuren und Luyendijk schreibt witzig und gut verständlich, ohne seine Leser:innen für dumm zu halten. Dabei beschreibt er, dass viele der Ursachen, warum es zu der Finanzkrise kommen konnten, bis heute da sind.

Das Buch ist zwar schon zehn Jahre alt, manche Dinge dürften inzwischen anders aussehen. Aber es bietet einen besonderen Einblick in eine verschlossene Welt, die viele sonst nur aus Filmen wie „Wolf of Wall Street“ kennen. Und sollte die nächste Finanzkrise irgendwann kommen, kann es helfen, dieses Buch gelesen zu haben.


Kinder der Gewalt von Julian Hans

Isolde Ruhdorfer

Kinder der Gewalt. Ein Porträt Russlands in fünf Verbrechen von Julian Hans, 2024, C.H. Beck.

Kinder der Gewalt. Ein Porträt Russlands in fünf Verbrechen von Julian Hans, 2024, C.H. Beck.

Eine Bande terrorisiert eine Kleinstadt. Drei Schwestern ermorden ihren Vater. Eine Künstlerin landet in einem Folterkeller. Das sind drei der Verbrechen, die der Autor Julian Hans schildert. Das Buch ist aber kein True Crime, es geht nicht nur um die Verbrechen an sich. Sondern darum, wie die russische Gesellschaft auf diese reagiert und um die Frage, was diese Verbrechen über sie aussagt.

Eine Freundin aus Russland sagte mir einmal, dass wir Menschen im Westen gar nicht verstünden, wie sehr Gewalt Teil des Alltags vieler Menschen in Russland sei. Wer „Kinder der Gewalt“ liest, versteht das auf jeden Fall besser. Es geht darum, was viele Menschen in Russland täglich erleben und was ihr Denken prägt. Es gibt deshalb auch Antworten auf die Frage, warum russische Kräfte in der Ukraine so brutal unterdrücken, foltern und morden.

Ich habe schon viele Sachbücher über Russland gelesen, oft geht es um Wladimir Putin, russischen Imperialismus oder vielleicht Alexej Nawalny. Kaum eines hat mir so viel erklärt wie dieses. Man merkt den Erzählungen an, dass der Autor selbst mit vielen der Personen gesprochen hat und dass er vor Ort war. Es ist ein trauriges Buch. Aber gleichzeitig ein sehr erhellendes. (Tipp: Seit diesem Sommer gibt es das Buch bei der Bundeszentrale für politische Bildung für nur fünf Euro.)


Die Patriarchen. Auf der Suche nach dem Ursprung männlicher Herrschaft von Angela Saini

Nina Roßmann

Die Patriarchen: Auf der Suche nach dem Ursprung männlicher Herrschaft von Angela Saini, 2023, hanserblau.

Die Patriarchen: Auf der Suche nach dem Ursprung männlicher Herrschaft von Angela Saini, 2023, Hanserblau.

Noch nie haben mich gleich die ersten zwei Seiten eines Sachbuchs so reingezogen: „Die Patriarchen“ von Angela Saini beginnt mit einer Weltkarte, auf der matrilineare Gesellschaften als schwarze Punkte vermerkt sind, Kulturen also, in denen Eigentum, aber auch sozialer Status von den Müttern an die Töchter weitergegeben wird. Der afrikanische Kontinent ist voll davon, ebenso Nordamerika und die Pazifikinseln. Nur Europa, Russland und die arabische Halbinsel sind blütenweiß.

Saini blickt in die Vergangenheit und in andere Teile der Welt, um deutlich zu machen: Es gibt Alternativen zum Patriarchat. Und im Übrigen gäbe es auch nicht das eine Patriarchat, sondern viele Patriarchate. „Sie sind weniger Teil einer monolithischen Schreckensgestalt und eher wie mehrere Würmer, die sich in unser Leben eingegraben und vermehrt haben.“

Das klingt unappetitlich, ist aber eigentlich eine gute Nachricht, schließlich gibt es Wurmkuren. „Wenn wir die Ungleichheit der Geschlechter als etwas betrachten, das uns unwiderruflich eingeschrieben ist, übersehen wir, was sie wirklich ist: etwas Zerbrechliches, das immer wieder neu geschaffen und durchgesetzt werden musste“, schreibt Saini.

Mehr zum Thema

Ich habe das Buch vor zwei Jahren im Urlaub gelesen. Gerade beim Durchblättern habe ich mich über den Sand gefreut, der aus den Seiten gerieselt ist, aber auch darüber, dass ich mich immer noch ziemlich gut an ihre Argumente und die Einblicke in andere Kulturen und Zeiten erinnern kann. „Die Patriarchen“ ist eines der fundiertesten und einprägsamsten feministischen Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.


Drecksarbeit – Der Mikrokosmos unter unseren Füßen von Nicole Ottawa, Oliver Meckes, Veronika Straaß, Claus-Peter Lieckfeld

Iris Hochberger

Drecksarbeit. Der Mikrokosmos unter unseren Füßen von Veronika Straass und Claus Peter Lieckfeld, 2025, Dölling Und Galitz.

Drecksarbeit. Der Mikrokosmos unter unseren Füßen von Veronika Straass und Claus Peter Lieckfeld, 2025, Dölling und Galitz.

Ein Sachbuch mit aktuellem Reizwort im Titel. Es handelt zum Glück aber nicht von Krieg oder Politik, sondern von einer Welt, die wir sonst kaum beachten: dem Mikrokosmos unter unseren Füßen.

Winzige Lebewesen mit phantastischen Fähigkeiten, Schimmelpilze von überraschender Anmut, ein ganzes Universum in einer Handvoll Erdboden. Ich war platt, als ich die Fotos gesehen habe. Diese Wesen waren offensichtlich Inspiration für einige Artdirektoren von Sci-fi-Filmen. Die Begleittexte sind spannend und anschaulich. Der Bildband sorgt bei sommerlichen Temperaturen für wohlig kalte Schauer. Unbedingt reinschauen und genüsslich gruseln!


This Is Vegan Propaganda (And Other Lies the Meat Industry Tells You) von Ed Winters

Sinan Sağlam

This Is Vegan Propaganda (And Other Lies the Meat Industry Tells You) von Ed Winters, 2023, Vermilion.

This Is Vegan Propaganda (And Other Lies the Meat Industry Tells You) von Ed Winters, 2023, Vermilion.

Dieses Buch empfehle ich allen, die sich für die großen Themen unserer Zeit interessieren. Es wirft einen frischen Blick auf die Auswirkungen der Fleisch- und Tierindustrie – von der Klimakrise über Gesundheit bis hin zur Ausbeutung von Mensch und Tier – und stellt eine wichtige Frage: Muss das wirklich so sein?

Der Autor erzählt anschaulich und bringt ohne moralische Keule neuen Schwung in die Debatte rund um Veganismus. Seine Erkenntnisse basieren nicht nur auf dem aktuellen Stand der Forschung, sondern auch auf Gesprächen mit Schlachthofarbeiter:innen, Bäuer:innen, Tierrechtsphilosoph:innen, Umweltaktivist:innen und Konsument:innen – ein facettenreicher Blick, der wirklich zum Nachdenken anregt.

Dabei wird deutlich, dass es um viel mehr geht als um persönlichen Lifestyle und unser tägliches Handeln mehr bewirken kann, als man glaubt – denn es betrifft die Zukunft von uns allen. Egal, ob du selbst vegan lebst, Skeptiker:in bist, eine vegane Person kennst oder einfach neugierig bist: Dieses Buch bietet fundierte Einblicke und eine empowernde, holistische Perspektive, ganz ohne erhobenen Zeigefinger.


Redaktion: Astrid Probst und Rebecca Kelber, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sippos, Audioversion: Christian Melchert und Iris Hochberger

6 Sachbücher, die viel mehr Menschen lesen sollten

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