Ich führe eine toxische Beziehung. Ich werde kontrolliert, manipuliert und schaffe es nicht, Schluss zu machen.
Ich rede davon, dass ich immer noch auf Instagram bin.
Instagram hat es geschafft, dass ich mir ein T-Shirt mit einem Tier-Logo gekauft habe, obwohl ich Logos auf T-Shirts doof finde. Und jetzt hat die Plattform mich dazu gebracht, über ein drittes Kind nachzudenken, obwohl ich die Vorstellung eigentlich absurder finde, als mir ein Gesichtstattoo stechen zu lassen.
Das war meinem Lover Boy namens Instagram aber egal und er begann, meine Timeline mit Babycontent zu fluten.
Kaum gehe ich auf Insta, sehe ich: süße Babys, Babybäuche, glücklich strahlende Mamas und noch mehr süße Babys. Keinem dieser Accounts folge ich. Und während ich scrolle und gucke, merke ich: Babys sind toll, sie erinnern mich an die Babyzeit mit meinen eigenen Kindern und ja, ich gebe zu, sie machen Lust auf mehr.
Dass ich mir diesen Zusammenhang nicht einbilde, hat mir die Recherche meiner Kollegin Theresa Bäuerlein gezeigt: Babyfieber ist ein reales Phänomen. Und es lässt sich durch Babybilder steuern. Für eine Studie zeigte man Testpersonen Bilder von Eltern mit Kindern. Das Ergebnis: Positive Darstellungen von Eltern-Kind-Momenten verstärkten den Kinderwunsch. Im Kern bedeutet das, unser Wunsch nach Kindern lässt sich verstärken wie unser Wunsch nach einem Magnum-Eis.
Doch im Gegensatz zur Magnum-Werbung, von der ich klar weiß, dass sie mich beeinflusst, war mir das bei den vielen Babybildern auf Instagram bisher nicht bewusst. Der Punkt ist: 40 Prozent der Accounts, die mir ausgespielt werden, folge ich gar nicht. Es ist wie Werbung. Fürs Kinderkriegen.
Der Algorithmus will uns emotional überwältigen
Magnum und Kinder sind beides eine wunderbare Sache, trotzdem hinkt der Vergleich natürlich. Wenn ich ein Magnum haben will, das aber ausverkauft ist, esse ich Cornetto oder verzichte eben an dem Tag auf Eis. Hätte ich keine Kinder bekommen können, wäre für mich eine Welt zusammengebrochen. Aber genau darin liegt ja das Problem: Was ist, wenn sich eine Frau Kinder wünscht, aber es nicht klappt? Vielleicht hat sie in der Vorfreude auf eine baldige Schwangerschaft schon auf die Profile von ein paar Mumfluencern geklickt. Ihre Timeline sieht dann aus wie meine. Mich macht das wütend, für jemanden mit unerfülltem Kinderwunsch muss es eine Qual sein.
Ein Kinderwunsch ist keine Naturgewalt, kann sich aber durchaus so anfühlen. Wie fies ist es da, wenn einen der Algorithmus noch zusätzlich zu überwältigen versucht?
Durch möglichst emotionalen Content will Insta uns immer süchtiger machen. Damit sollten wir uns beschäftigen. Sonst beeinflussen die großen Plattformen nicht nur unsere Kaufentscheidungen und das, was wir wählen, sondern auch noch unsere Lebensentscheidungen. Das Shirt mit dem Tier-Logo ist relativ schnell kaputtgegangen. Diese Enttäuschung kann ich verkraften. #Regrettingmotherhood möchte ich dagegen lieber nicht erleben.
Von dem dritten Kind habe ich mich schnell wieder verabschiedet. Solange sich Schlaf und Energie nicht einfach auf dem Fensterbrett züchten lassen wie Kresse, ist das keine Option. Von Insta fällt mir der Abschied schon schwerer. Um mir die Sache zu erleichtern, gehe ich erst einmal fremd und offline. Gestern bin ich dafür zur Partnerbörse meines Vertrauens gegangen: in die nächste Buchhandlung.
Redaktion: Astrid Probst, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Gabriel Schäfer