Fotomontage: Ein Portrait von Julian Zietlow vor einer Thailändischen Landschaft mit Urwald und Meer. Er hat einen Heiligenschein.

picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd, Sven/Unsplash

Psyche und Gesundheit

Julian Zietlows Tipps sind potentiell lebensgefährlich

Der Coach erreicht mit seinen Gesundheits-Ratschlägen online Hunderttausende Menschen. Eine Expertin sagt: Seine Heilversprechen sind gesetzlich verboten.

Profilbild von Martin Gommel
Reporter für psychische Gesundheit

Kennst du Julian Zietlow? Er hat auf Instagram 283.000 Follower:innen, nennt sich „Schamane“ und gehört in Deutschland zu den erfolgreichsten, männlichen Influencern der spirituellen Szene. Seine Kurzvideos haben im Schnitt 100.000 Aufrufe, manche schaffen sogar eine halbe Million. Das Besondere an Zietlow? Wenn er eine neue Freundin hat, berichten große Medien wie Welt, Bild und Kurier darüber.

Ich folge Zietlow schon eine Weile, weil ich als Reporter für psychische Gesundheit wissen muss, wer Menschen, denen es nicht gut geht, Hilfe anbietet. Zu denen gehört er, denn seine Versprechen über letale, also tödliche Krankheiten sind spektakulär. Deshalb werde ich mir so viele Videos von Zietlow anschauen, wie möglich. Auf meinem Zettel stehen Fragen, die ich geklärt haben will. Was genau verspricht Zietlow kranken Menschen? Gibt es dabei Risiken? Ist das legal?

Zietlows Fans finden Chaos super

Ich öffne sein Instagram-Profil und klicke auf das erste Video. Zietlow sitzt nonchalant auf einem Stuhl, trägt komplett schwarz, zwei Perlenketten und exakt meine Frisur. Im Gegensatz zu schleimigen Männercoaches auf Insta, die mit Anzug und Krawatte Videos aus dem Lamborghini posten, wirkt Zietlow ernüchternd normal. Ich könnte mir sogar vorstellen, mit ihm in Berlin was trinken zu gehen. Umso schräger ist es, dass er sich „Schamane“ nennt.

Zietlow wird von Katharina Rahmig interviewt, die ihrer Insta-Bio nach „Mentorin für Identität & Manifestation“ ist. Zietlow holt aus: „Diese Tools sind dazu da, um dich ins Chaos zu bringen. Und Chaos, damit ist gemeint, eine Situation, die du nicht kontrollieren kannst. Wo du von jetzt auf gleich aus den Gedanken geschossen wirst und immer nur im Moment bist, Überlebensinstinkt geht an.“

Auf dem Bild sitzt Julian Zietlow auf einem Sessel. Er trägt ein lockeres, schwarzes T-Shirt und eine kurze schwarze Hose. Um den Hals hängt eine lange schwarze Perlenkette. Seine Hände liegen locker übereinander auf seinem Schoß. Im Hintergrund sind helle, lichtdurchflutete Gardinen zu sehen. Über dem Bild steht der Schriftzug: „Du brauchst Chaos!“

Screenshot: Julian Zietlow, Instagram

Was Zietlow mit diesen Tools meint, erklärt er nicht. Aber „eine Situation, die du nicht kontrollieren kannst“, erinnert mich an den Moment, als ich 2012 zusammengekrümmt auf dem Boden lag und weinte, weil ich einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, mitten in einer Depression. Kontrollverlust habe ich nie gebraucht, das war der Tiefpunkt meines Lebens, auf den ich verzichten kann.

Insgeheim hoffe ich, die Interviewerin Katharina Rahmig würde Zietlow eine kritische Frage stellen. Zum Beispiel: „Warum sollte Chaos gut für mich sein?“ Oder: „Herr Zietlow, wie kommen sie auf diesen Schrott?“ Stattdessen führt sie seine Gedanken fast schon unterwürfig fort: „Deshalb sehe ich das zum Beispiel in der, ich sag mal, Außenwelt, dass halt einfach so krasse Ereignisse passieren, wo wir denken, boah, sind die schlimm. Wir brauchen die, damit wir wach werden, damit wir uns unserer Gedanken bewusst werden.“

Ich nippe am Kaffee und scrolle unters Video, rechne mit Leuten, die mindestens irritiert sind. Vielleicht stellen die kluge Fragen? Erster Kommentar: „Yes! Chaos ist das Beste, was dir passieren kann 🙌 der Schlüssel zur Befreiung 💛✨💛“, schreibt jemand.

Ein verzweifeltes Lachen rutscht mir heraus und eine Kollegin in der Redaktion dreht sich fragend um. Ich frage mich, welche heilbringende Grundlage es für dieses Chaosdenken gibt. Dabei ist da jemand, der dieses spirituelle Chaos verkörpert: Zietlow selbst. Das wird anhand seines Lebenslaufs deutlich.

Die Geheimwaffe der Stars öffnet einen Onlyfans-Account

Um das Jahr 2010 beginnt er, auf Youtube Videos über Fitness und Ernährung zu posten, gründet 2011 Rocka Nutrition, ein Fitness-Food-Unternehmen. 2015 taucht er im „Dschungelcamp“ als die „Geheimwaffe der Stars“ auf: Zietlow macht die Teilnehmenden fit für die Strapazen der Sendung.

Als Personal Trainer betreut er Berichten zufolge auch Größen wie den Rapper Fler, mit dem er sich anschließend zerstreitet. 2023 dann die öffentliche Trennung von seiner Frau, das Schweizer Magazin Blick titelt: „Fitness-Influencer im Drogensumpf von Thailand verschollen“. Er beginnt, Ayahuasca, ein psychedelisch wirkendes Pflanzengebräu aus dem Amazonasraum, zu konsumieren und teilt seine Trips auf Instagram.

Zietlow erstellt mit seiner „spirituellen Freundin“ Kate einen Onlyfans-Account, wo sie für ein 50-Euro-Abo intime Momente teilen. Zietlow soll sich dann dem Bashar-Kult angeschlossen haben, einer Gruppe, die an Aliens glaubt. Das Portal Tag 24 titelt im vergangenen Jahr, seine Ex-Frau habe ihm eine zweite Chance gegeben, Wochen später schreibt Blick.ch, sie seien wieder getrennt.

Zietlow wirkt wie der mutige Außenseiter, der mit Lebenshacks und Gratistipps das Leben für alle besser macht. Schließlich hat er in Thailand Drogen konsumiert, ein leidenschaftliches Leben geführt, die Welt gesehen und trägt auf der Brust diese Worte: I AM GOD.

Das Bild zeigt Julian Zietlow, der sein Hemd zur Seite zieht, um ein Tattoo auf seiner Brust zu präsentieren. Das Tattoo besteht aus den Worten „I AM GOD“ in einfachen, schwarzen Großbuchstaben und befindet sich mittig unterhalb des Schlüsselbeins. Die Haut um das Tattoo wirkt leicht gerötet, was auf ein frisch gestochenes Tattoo hindeuten könnte. Am unteren Bildrand steht der Hinweis: „Julian Zietlows 'Ich bin Gott'-Tattoo“.

Screenshot: Promiflash/Julian Zietlow

Das Versprechen aus der Hölle

Ich klicke auf das nächste Video, Gott Zietlow sitzt wieder einer Frau gegenüber und „spricht Klartext“, wie es auf dem Thumbnail steht. „Erstens, jede Krankheit ist heilbar, und zweitens, du kannst jede Krankheit selbst heilen.“ Wie viel Ayahuasca muss man konsumieren, um so einen unhaltbaren Scheiß in ein Podcastmikrofon zu labern?

Ich weiß, dass der Drogenkonsum Menschen Dinge offenbaren kann, die in einem Trip Sinn machen, aber im nüchternen Leben keinen. Welche Erfahrungen Julian gemacht hat, welcher Geist ihm im Drogenrausch etwas zugeflüstert hat, weiß nur er. Sicher aber ist, nicht jede Krankheit ist heilbar. Diabetes mellitus zum Beispiel ist chronisch. Auch psychische Erkrankungen können dauerhaft bestehen, wie die Angststörung oder Suchterkrankungen.

Das betrifft nicht wenige Menschen. „Mehr als die Hälfte der älteren deutschen Bevölkerung ist chronisch krank.“ Das hat der erste Report „Chronisch krank sein in Deutschland“ des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt ergeben. Einige Menschen sterben wegen der Erkrankung früher, was in Deutschland jedes Jahr zu 25 Millionen verlorenen gesunden Lebensjahren führt. Meint Julian, die könnten sich alle selbst heilen?

Im Video, das hart geschnitten ist, sagt Zietlow: „Werde reich, hol dir Macht, werde ein Schwein. Dann wirst du sehen, dass wir das alles kreiert haben. Dass wir Mutter Theresa, aber auch Hitler sind.“ Für Zietlow typisch ist das Aneinanderreihen wilder Thesen, die für mich wie eine Endlosschleife kleiner Schocks sind.

Auf dem Bild ist Julian Zietlow zu sehen, der ein hellblaues, teilweise geöffnetes Hemd trägt. Seine Brust und ein Teil des Tattoos mit der Aufschrift „I AM GOD“ sind erkennbar. Vor seiner Brust ist ein Ansteckmikrofon befestigt. Im linken Bereich steht in großen weißen Buchstaben mit einem hellen Rand der Schriftzug: „WERDE EIN SCHWEIN“. Im Hintergrund ist eine hell gehaltene, unscharfe Umgebung zu sehen.

Screenshot: Julian Zietlow und Jasmin Kosubek

Ich rufe Charlotte Raven an, sie ist eine der härtesten Kritiker:innen der Coachingszene und klärt auf Instagram über die manipulativen Mechanismen dieser Gurus auf. Sie sagt: „Es ist durchaus Absicht, möglichst viele kontroverse Dinge nacheinander zu sagen.“

Raven beschreibt diese Methode als „Argument by Gibberish“ (Argumentieren durch Unsinn): Zusammenhangslose Behauptungen aufstellen, um den Anschein eines starken Arguments zu erwecken, wobei inhaltlich keine Substanz vorhanden ist. Das kann Zuhörende so stark beeindrucken, dass sie es nicht wagen, kritische Fragen zu stellen.

Bei mir bleibt aber der unscheinbarste seiner Sätze hängen. „Dann wirst du das sehen, dass wir das alles kreiert haben.“ Da Zietlow direkt davor von Krankheiten gesprochen hat, sind die offenbar mitgemeint. Zu Ende gedacht heißt dass: Menschen haben den Krebs, der sie töten wird, selbst erschaffen.

In mir regt sich ein Gefühl, auf das ich zu hören gelernt habe, Trauer. Ich weiß auch, woher sie kommt. Ein Verwandter, wir nennen ihn Tom, hat seit letztem Jahr Darmkrebs. Die Diagnose kam jedoch zu spät und er macht seit Monaten ununterbrochen Chemotherapie, die zwar den Krebs in seinem Körper bekämpft, ihm aber auch depressive Schübe beschert. Ich habe mit ihm telefoniert, als er am Boden war. „Martin, ich kann nicht mehr. Ich bin so eine Last für alle.“ Phasenweise geht es ihm besser, allerdings ist das Biest in seinen Zellen unberechenbar.

Auch er googelt im Netz. Auch er schaut sich Videos an, in denen alle möglichen Mittel als Heilmittel gegen Krebs versprochen werden. Als vor ein paar Monaten der Schauspieler Mel Gibson im Podcast von Joe Rogan davon erzählte, dass drei von seinen Freunden keinen Krebs mehr hätten, nachdem sie Ivermectin genommen hatten, überlegte sich Tom, ob er sich damit behandeln lassen sollte. Ivermectin ist jedoch kein Mittel gegen Krebs, sondern gegen Parasiten. Als ich ihn aufklärte und sagte, dass die Fach-Community, darunter die Canadian Cancer Society, diese Empfehlung hart kritisierte, meinte er: „Ich weiß, aber ich halte mich an jedem Strohhalm fest.“

Niemand ist vor großartigen Versprechen sicher, wenn der Leidensdruck stark genug ist. Wenn du alles versucht hast, entsteht ein Grad der Zermürbung, der eine strunzdumme Idee wie einen vielversprechenden Ausweg dastehen lässt. Die Idee ist immer noch dumm, du bist nur auf einen Halunken hereingefallen, der weiß, wie man deine Situation nutzt. Deshalb ist es nicht egal, was Menschen wie Zietlow sagen.

Diese Formel soll Depressionen heilen

Die Frage bleibt aber: Wie sollen Menschen sich, nach Zietlow, „selbst heilen“? Drei Klicks weiter liefert er die Antwort: „Follow your highest excitement ist eine wahnsinnige Medizin. Das ist, dass Depressive, genauso wie Krebskranke, wieder lernen, nach dem zu gehen, was ihre Intuition sagt.“

Ich muss mir das kurz vor Augen halten. Zietlow behauptet, kranke Menschen hätten verlernt, auf ihre Intuition zu hören. In meinem Kopf bildet sich hier eine Behauptung von Ursache und Wirkung: Wer immer auf seine Intuition hört und seinem Excitement followed, wird nicht krank.

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Ich linse in die Bildunterschrift unter dem Video, dort schreibt Zietlow: „Diese Formel ist eine Medizin und kann schwere psychische und körperliche Krankheiten heilen. Verharre weiter in der Opferrolle oder befolge diese Regeln.“

Charlotte Raven sagt: „Dieses Heilversprechen darf Zietlow nicht machen. Das ist gesetzlich verboten.“ Ich bin etwas irritiert, denn ich dachte, dieses Verbot gelte nur für Ärzte. „Nein, auch selbsternannte Schamanen wie Zietlow dürfen das nicht.“ Bestimmt wird das durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG), dort steht in § 3:

„Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.“

Raven: „Das, was Zietlow hier beschreibt, ist ein Verfahren.“ Wichtig an dieser Stelle sei, dass er konkrete Krankheiten (Depression, Krebs) und das Wort Medizin benutze. Unter Zietlows Video gibt er obendrauf noch eine Anleitung, das ist der erste Tipp: „Handle in jedem Moment entsprechend dem, was dich am meisten begeistert.“

Spätestens hier wird klar, dass Zietlow nicht verstanden hat, was eine Depression ist. Denn ein Hauptsymptom der Erkrankung ist nach dem ICD-10, dem internationalen Klassifikationssystem der Erkrankungen, die Anhedonie, auch als Interessenverlust und Freudlosigkeit beschrieben. Wenn du in einer Episode bist, juckt dich deine Lieblingsserie, dein Lieblingsessen, selbst der geilste Sonnenuntergang nicht mehr.

In einem gefährlichen Stadium kümmert Betroffene nicht mal mehr ihr eigenes Leben, weil sie den Schmerz, die Leere, das Schwere nicht mehr aushalten.

Zietlows gezieltes Einsetzen von Falschinformationen beschäftigt auch zivilgesellschaftliche Organisationen. „Bei uns sind Beschwerden über Julian Zietlow eingegangen. Unter anderem, weil er behauptet hat, es gebe keine Depression“, sagt mir Gesa Schölgens am Telefon. Sie ist Projektleiterin des „Faktencheck Gesundheitswerbung“, einem Projekt der Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz. Das Problem bei Zietlow sei, dass er nicht in Deutschland lebt, sondern in Dubai seinen Wohnsitz hat. „Eine Abmahnung wäre also nicht zustellbar, wenn wir einen rechtlichen Verstoß feststellen.“

Nicht zustellbar ist auch meine innere Kraft, deshalb ringe ich mich durch, ein letztes Reel vom Schamanen ohne Scham anzusehen.

Was Betroffene wirklich denken

„Identifiziere dich nicht mit der Krankheit“, sagt Zietlow in ein Mikrofon. Dieser Satz ist geradezu ein Standard unter Instagram-Coaches, die ich seit Jahren beobachte. Die Idee dahinter ist vermutlich, Menschen aufzuzeigen, dass es auch ein Leben außerhalb der Krankheit gibt. Das ist eine Art Gegenbewegung zum offenen Sprechen über psychische und körperliche Leiden, das in den vergangenen Jahren in sozialen Medien zugenommen hat – und in meinen Augen ein Gewinn ist.

Für mich bleibt es ein Rätsel, wem dieses Nicht-Identifizieren etwas bringen soll. Deshalb habe ich Betroffene mit einer psychischen und/oder körperlichen Erkrankung gefragt, was sie fühlen, wenn ihnen jemand sagt, sie sollen sich nicht mit ihrer Krankheit identifizieren.

  • Cryz antwortete auf Bluesky: „Menschen identifizieren sich teilweise mit ihrem Job, den sie jederzeit ablegen können, also erzähl du mir nichts über Identität, wenn ich damit klarkommen muss, unheilbar krank zu sein.“
  • Bene schrieb auf Threads: „ADHS als Beispiel ist ja untrennbar mit mir verbunden. Das mag Leuten passen oder auch nicht, mir hilft es, mich mit all meinen Facetten anzunehmen.“
  • Katzenfritze schrieb auf Mastodon: „Ich denke, er soll sich einfach nicht mit der Schwerkraft identifizieren und den Abflug machen.“

Die Antworten auf meine Frage waren unterschiedlich, aber eines hatten die meisten gemeinsam: Wut darüber, nicht ernstgenommen zu werden. Niemand schrieb: „Das ist der beste Tipp, den ich je gehört habe, danke vielmals!“ Zietlow setzt im Video noch einen drauf. Er äfft eine Person nach, die sagt: „Ja, aber ich habe dies und das“ und antwortet dann: „Das ist scheißegal, du hast das kreiert, du hast dir diese Spielfigur vorher ausgesucht.“

Spielfigur? Charlotte Raven sagt: „Um das zu verstehen, müssen wir uns die Zielgruppe vieler Coaches und Influencer genauer ansehen.“ Das sind Menschen, die in ihrem Leben durch ihre Erkrankung, ihr Umfeld oder andere Missstände von Machtlosigkeit geprägt sind. „Und das nutzen diese Coaches schamlos aus, wenn sie ihnen erzählen, jeder würde vor der Geburt auf Seelenebene eine bewusste Entscheidung für diesen Körper treffen.“

Und für die Krankheit.

Ich frage mich, ob Zietlow diese Sprüche einer Person im Rollstuhl ins Gesicht sagen würde. Oder einem Menschen mit Krebs im Endstadium am Sterbebett. Oder mir, als ich kurz davor war, mir das Leben zu nehmen. „Das ist scheißegal, du hast das kreiert“, wirkt nicht nur deplatziert, es ist auf eine Weise bösartig, die mich rasend macht.

„Über 50 Prozent der Deutschen haben eine geringe allgemeine Gesundheitskompetenz, das ist wissenschaftlich gesichert“, sagt Schölgens. „Diese Menschen sind kaum in der Lage, irreführende Informationen im Internet richtig einzuordnen.“ Es fällt ihnen schwer, unterscheiden zu können, was faktenbasiert ist, wenn sie zum Beispiel ein Video von Julian Zietlow sehen. Welche Konsequenzen das haben kann, ist auf den ersten Blick nicht sichtbar.

Achtung, Aussagen bitte prüfen

Wenn Menschen, die eine tödliche Krankheit bei sich vermuten, glauben, sie könnten sich selbst heilen, sie müssten nur ihrer Begeisterung folgen, sie bräuchten das Chaos, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich professionelle, ärztliche Hilfe suchen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer unentdeckten Erkrankung, und das kann tödlich enden.

Charlotte Raven: „Es kann dieses letzte Fünkchen sein, das eine Person, die depressiv ist, in den Suizid treibt.“ Schölgens: „Natürlich kann das lebensgefährlich werden. Deshalb warnen wir davor, den Ratschlägen dieser Influencer zu folgen.“

Bei Gesundheitsinfluencern wie Zietlow sollten Plattformen wie Instagram und Youtube unter jedem Beitrag, in dem das Wort „Heilung“ in Verbindung mit einer potenziell tödlichen Krankheit vorkommt, einen Verweis einblenden: Achtung, Aussagen bitte prüfen. Möglicherweise lebensgefährlich.

Meine Fragen ließ Julian Zietlow unbeantwortet.


Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos

Julian Zietlows Tipps sind potentiell lebensgefährlich

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