Collage: Trump und Epstein stehen nebeneinander, Trump hat einen Arm um Epstein gelegt. Ihre Augen sind verdeckt, darüber läuft ein Protokoll des Gerichtsverfahrens. Im Hintergrund sind Tabellem zu erkennen, es sind die Fluglisten.

Davidoff Studios Photography/Getty Images

Politik und Macht

Der Epstein-Skandal, verständlich erklärt

Trump-Wählern sind viele seiner Fehltritte egal. Diesmal ist es anders.

Warum könnte ausgerechnet dieser Skandal Donald Trump gefährlich werden? Er ist schließlich schon mit Sachen durchgekommen, die vorher undenkbar waren.

Monatelang hat Trump versucht, von den sogenannten Epstein-Files abzulenken. Nichts hat genützt, der Druck wurde immer größer. Nun hat er den republikanischen Abgeordneten empfohlen, für die Freigabe der Epstein-Akten zu stimmen. Wegen seines Umgangs mit diesen Unterlagen kritisieren seit Monaten auch Teile der MAGA-Bewegung („Make America Great Again“) die Trump-Regierung scharf – ein Novum.

Da wäre zum Beispiel der rechtsextreme Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Er unterstützte 2016 Trumps Wahlkampf, finanzierte den Sturm auf das Kapitol mit und verbreitete Lügen und Verschwörungstheorien zu Trumps Gunsten. In einem Video Anfang Juli sagt er, er müsse „leibhaftig kotzen“, wegen der Art, wie die Trump-Regierung mit dem Fall Epstein umgeht.

Auch Marjorie Taylor Greene, ein Mitglied des US-Repräsentantenhauses aus Georgia, war eine von Trumps größten Fans. Noch 2024 verglich sie ihn bei einer Wahlkampf-Rally mit Jesus. Im Sommer begann sie aber, ihn und Entscheidungen seiner Regierung zu kritisieren. In einem Interview mit CBS nannte sie es eine „schwere Fehleinschätzung“, dass Trump die Epstein-Files nicht veröffentlichen wollte. Inzwischen hat Trump sie als Verräterin bezeichnet, auf X berichtet sie von zahlreichen Drohungen.

Warum bewegt ausgerechnet dieses Thema die MAGA-Szene so sehr?

Trump hat vor seiner Wahl zögerlich versprochen, dass der Skandal um Epstein und sein Umfeld endlich vollständig aufgeklärt werden muss.

Seit er Präsident ist, ist er zurückgerudert. Die Ermittlungsdokumente zum Fall Epstein seien ein „Schwindel“, erfunden von Barack Obama, Hillary Clinton und der Biden-Regierung. Und überhaupt verstehe er nicht, warum sich irgendjemand dafür interessiere. Der Fall sei doch „langweilig.“

Geht es nicht um den Missbrauch von Frauen? Das klingt nicht wie etwas, das man langweilig nennen sollte.

Ja, Jeffrey Epstein soll über tausend Frauen und Mädchen missbraucht haben. Manche von ihnen waren gerade einmal 13 oder 14 Jahre alt.

Wie schrecklich.

Zu Epsteins Bekannten- und Freundeskreis gehörten einige der mächtigsten Männer der Welt – darunter der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, der amtierende Präsident Donald Trump, Prinz Andrew aus der britischen Königsfamilie und der ehemalige israelische Premier Ehud Barak.

Microsoft-Gründer Bill Gates hat ihn mehrmals getroffen, aber auch berühmte Schauspieler und Regisseure wie Kevin Spacey und Woody Allen kannten ihn gut.

Die große Frage ist deshalb: Wie viel wussten die Reichen und Mächtigen dieser Welt über Epsteins Treiben? Und waren manche von ihnen darin verstrickt?

Gute Frage, was ist die Antwort?

Bisher wurden nur Jeffrey Epstein selbst und seine Komplizin Ghislaine Maxwell verurteilt. Ob andere in den Skandal verwickelt sind, ist unklar. Das Justizministerium sagt: Es gibt keine Hinweise, die eine Untersuchung gegen nicht beschuldigte Dritte rechtfertigen.

Seit dem 12. November sind 20.000 Mails, die Jeffrey Epstein geschrieben und bekommen hat, öffentlich zugänglich. Darin bezeichnet sich Epstein als derjenige, der Trump zu Fall bringen könnte. Und er schreibt: „Of course he knew about the girls as he asked Ghislaine to stop.“ Also: Natürlich wusste er von den Mädchen, er hat ja Ghislaine [Maxwell] gebeten, aufzuhören.“ Damit meint er seine Mitverschwörerin und Ex-Freundin, die wegen des Missbrauchs in Haft sitzt. Das allein ist allerdings kein Beweis dafür, dass Trump von dem massenhaften Sexhandel wusste.

Das klingt alles ziemlich verworren. Kein Wunder, dass auch Teile der MAGA-Bewegung auf die Barrikaden gehen.

Der Epstein-Fall lässt kaum jemanden kalt, über das gesamte politische Spektrum hinweg. Es gab mehrere Gerichtsurteile und sehr viel Berichterstattung, trotzdem liegen manche Zusammenhänge noch immer im Dunkeln. Dementsprechend ist der Skandal der perfekte Nährboden für Verschwörungstheorien.

Für die MAGA-Bewegung geht es weniger um den Verdacht, dass Trump selbst in den Epstein-Fall verwickelt sein könnte. Für sie stehen die Epstein-Files stellvertretend für größere, systemische Probleme. Manch eine:r ist überzeugt: Der Fall zeigt, wie der Deep State die Eliten des Landes schützt.

Der Deep State?

Das ist ein politisches Feindbild, das maßgeblich vom radikalen Online-Kult QAnon geprägt wurde. QAnon-Anhänger:innen geben sich überzeugt, dass in den USA seit Jahrzehnten ein Netzwerk aus Sexhandelsringen, Satanisten und Pädophilen das Sagen hat – der sogenannte Deep State. Beteiligt sein sollen Politiker:innen der Demokraten, Hollywood-Stars und Adlige. Angeblich trinken sie das Blut von Kindern, um ihre Jugend zu erhalten. Man soll sie daran erkennen, dass sie manchmal rote Schuhe tragen.

QAnon zufolge kontrolliert der Deep State die Geheimdienste, das Militär, die Bürokratie, das Justizsystem und die Medien. Viele QAnon-Anhänger:innen waren auch beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 dabei.

Ach, dieser MAGA-Quatsch.

Es ist leicht, das als Geschwurbel abzutun. Aber sehr viele Amerikaner:innen glauben solche Narrative inzwischen wirklich. Misstrauen gegenüber Eliten, Staat und Medien sind die ideologische Basis der MAGA-Bewegung.

Die Erzählung, dass die Eliten im großen Stil Kinder missbrauchen, ist besonders verbreitet. In Bezug auf Epstein geht es häufig um eine mutmaßliche Klientenliste. Darin sollen die Reichen und Mächtigen vermerkt sein, die Mädchen und junge Frauen vergewaltigt haben sollen – vermittelt durch Epstein.

Aber diese Liste gibt es nicht?

Das hat zumindest das FBI erklärt.

Und die MAGA-Leute glauben dem FBI nicht?

Wie gesagt, es gibt ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat. Kash Patel, der derzeitige FBI-Chef, hat das vor seinem Amtsantritt selbst verkörpert. Er propagierte jahrelang QAnon-Theorien auf Truth Social und trat in entsprechenden Podcasts auf.

2024 erklärte Patel in einem Podcast, dass er als Trumps FBI-Direktor das FBI-Hauptgebäude „schließen und am nächsten Tag als Museum des Deep State wiedereröffnen“ würde.

Und jetzt ist er zwar FBI-Chef, hat dieses Versprechen aber nicht eingehalten?

Genau daran stören sich viele MAGA-Anhänger:innen. Anfang Juli 2025 veröffentlichte das FBI ein Memorandum, das in MAGA-Kreisen wie eine Bombe einschlug: Im Fall Epstein sollen keine neuen Dokumente mehr preisgegeben werden.

Aber wieso denn nicht?!

Laut FBI geht es dabei um den Opferschutz. Die Dokumente würden viele private Informationen von Mädchen und Frauen enthalten – es wäre nicht angemessen, weitere Details offenzulegen.

https://twitter.com/imPenny2x/status/1942345389962846488?ref_src=twsrc%5Etfw

Außerdem entkräftet das Memo, wenn man ihm Glauben schenkt, viele der Verschwörungstheorien im Fall Epstein. Er habe tatsächlich Suizid begangen, heißt es darin.

Ich erinnere mich, dass viele nicht glauben, dass Jeffrey Epstein sich umgebracht hat. Aber kannst du mir nochmal erklären, was für ein Mensch er war?

Jeffrey Epstein, Jahrgang 1953, war der Sohn eines Gärtners und einer Hausfrau. Das College hat er abgebrochen. Trotzdem wurde er ein reicher Mann. Zum Zeitpunkt seines Todes besaß er fast 600 Millionen US-Dollar. Er war viel in seinen Privatjets unterwegs – etwa zu seiner eigenen Insel in der Karibik, die zu den amerikanischen Jungferninseln gehört, die Little Saint James Island. Manche behaupten, dass die Insel auch zentraler Schauplatz des systematischen Missbrauchs war.

Noch reicher als Epstein selbst waren die Klienten des Unternehmens, das er 1988 gegründet hat. „J Epstein and Co.“ verwaltete nach eigenen Angaben ausschließlich die Assets von Superreichen, deren Vermögen eine Milliarde Dollar übersteigt.

Und daher hatte er sein beachtliches Netzwerk?

Auch das ist etwas unklar, die meisten Vermögensverwalter kennen nicht mehrere US-Präsidenten. Er scheint sehr gut darin gewesen zu sein, Verbindungen zu knüpfen. Aber wie gesagt: Jemanden zu kennen, ist noch kein Verbrechen.

Wie ist der Mann zu so viel Geld gekommen?

Das weiß niemand so genau. Epstein hat wohl Kommissionen auf erfolgreiche Investitionen bekommen, die seine Vermögensverwaltungsfirma getätigt hat. Aber manche Expert:innen an der Wall Street bezweifeln, dass er sein Geld an der Börse verdient hat. Denn dafür gibt es kaum Hinweise. Sie sagen: Wer so viel Vermögen bewegt, hinterlässt Spuren.

Klar ist nur, dass Epstein einen beträchtlichen Teil seines Reichtums dem Milliardär Les Wexner zu verdanken hatte, dem Chef der Unterwäschemarke Victoria‘s Secret. Anscheinend vertraute Wexner Epstein sehr. Nachvollziehen konnte das Wexners Umfeld nicht. Warum sollte sich ein erfolgreicher Geschäftsmann wie er ausgerechnet Epstein zu seinem Vermögensberater machen – einen Ex-Mathelehrer ohne viel Erfahrung im Finanzbereich?

Bestimmt gibt es ein paar interessante Verschwörungstheorien, die auch diese Wissenslücke im Epstein-Fall zu füllen wissen.

Es wird gemunkelt, dass er seine Klienten dabei gefilmt haben könnte, wie sie sich an den teilweise minderjährigen Frauen vergreifen – um sie dann mit dem Videomaterial zu erpressen. Manche behaupten sogar, dass er Verbindungen zum israelischen Geheimdienst hatte. Für beides gibt es keine Belege.

Seit wann steht Epstein denn unter Verdacht, Minderjährige zu missbrauchen?

Schon in den 1990er-Jahren erhoben junge Frauen schwere Vorwürfe gegen Epstein. Erst 2005 begann die Polizei, gegen ihn zu ermitteln – weil die Eltern eines 14-jährigen Mädchens zur Anzeige brachten, dass er ihr Geld für eine Massage gegeben habe. Bei den Ermittlungen gaben auch andere Mädchen und Epsteins Butler an, dass Epstein mehrmals täglich Besuch von Mädchen hatte.

2006 eröffnete das FBI bundesweite Ermittlungen. Aber es kam nie zu einer Anklage wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger vor einem Bundesgericht. Wäre er für diese Anklage verurteilt worden, hätte er wahrscheinlich lebenslänglich ins Gefängnis gemusst.

Und wieso kam es nicht dazu?

Das weiß niemand so genau. Stattdessen gingen Epsteins Anwälte und Alexander Acosta, der zuständige Staatsanwalt, 2007 einen geheimen Deal ein: Epstein wurde nur wegen Anbahnung zur Prostitution, einem viel weniger schwerwiegenden Vorwurf, verurteilt. Außerdem konnten seine Anwälte eine Klausel aushandeln, die Mitverschwörern gesetzliche Immunität gewähren sollte. Das bedeutet, sie könnten nicht verklagt oder verurteilt werden. Ein solcher Deal ist in der US-Geschichte so gut wie beispiellos.

Wurde er zumindest aufgrund von Anbahnung zur Prostitution verhaftet?

Ja, 2008 musste er ins Gefängnis. Aber er verbrachte dort nicht viel Zeit. An sechs Tagen pro Woche durfte er sich abholen lassen und tagsüber in einem Büro in Palm Beach arbeiten.

Unglaublich. Für Reiche gelten wirklich andere Regeln…

Die Geschichte ist noch nicht vorbei. Epstein wurde zwar zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, kam aber im Juli 2009 nach nur 13 Monaten wieder frei. Im darauffolgenden Jahr legte er die Klagen mehrerer Frauen erfolgreich bei.

Wer sind denn die Frauen und Mädchen, die Epstein belästigt und vergewaltigt hat?

Mehrere Opfer haben öffentlich erzählt, was ihnen widerfahren ist. Eine der bekanntesten Klägerinnen gegen ihn war Virginia Giuffre. Ihre Geschichte zeigt einmal mehr, was wir aus anderen #MeToo-Fällen schon wissen: Als Frau gegen mächtige Männer vorzugehen, ist sehr schwer.

Erzähl mir von ihr.

Giuffre hatte eine schwierige Kindheit. Sie wurde schon mit sieben Jahren zum ersten Mal missbraucht, lebte als Jugendliche zeitweise auf der Straße. Mit 16 Jahren arbeitete sie als Umkleidewärterin in Mar-a-Lago, Trumps Anwesen in Florida. Dort traf sie zum ersten Mal auf Ghislaine Maxwell, die ihr ein Angebot machte: Sie könne ihr ein Bewerbungsgespräch besorgen, um Massagetherapeutin zu werden. Giuffre, die ihr Leben in Ordnung bringen wollte, freute sich über die vermeintliche Chance.

Sie konnte noch nicht wissen, dass Maxwell eine Ex-Partnerin und enge Freundin von Jeffrey Epstein war. Sie organisierte sein Leben und war diejenige, die ihm minderjährige Missbrauchsopfer zuführte. Als Giuffre zum „Gespräch“ eintraf, soll Epstein nackt dagelegen haben. Giuffre erzählte, dass Maxwell ihr dann Anweisungen gab, wie sie Epstein zu massieren habe.

Wusste Maxwell denn, dass Giuffre in einer besonders verletzlichen Position war?

Ja, Giuffre hatte ihr von ihrer schwierigen Vergangenheit erzählt. Aber das „Bewerbungsgespräch“ war nur der Anfang. Giuffre sagt, dass sie jahrelang immer wieder von reichen Männern missbraucht wurde, vermittelt durch Epstein. Einer davon war laut ihr der damalige britische Prinz Andrew, er soll sie 2001 in London zu Sex gezwungen haben. Zu dem Zeitpunkt war sie 17 Jahre alt, er 40.

Warum „soll“?

Ex-Prinz Andrew wurde nie verurteilt, hat nichts gestanden, sich auch nicht entschuldigt. 2022 erzielten Giuffre und er einen außergerichtlichen Vergleich über 12 Millionen Pfund.

Infolgedessen gab Ex-Prinz Andrew alle seine Schirmherrschaften und militärischen Ehrentitel ab und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Im Oktober dieses Jahres wurden ihm alle seine royalen Titel entzogen.

Und wie geht es Giuffre heute?

Im Mai 2025 beging sie mit 41 Jahren Selbstmord. Ihre Familie teilte mit: „Virginia war eine erbitterte Kämpferin im Kampf gegen sexuellen Missbrauch und Sexhandel. Sie war das Licht, das so vielen Überlebenden Mut gemacht hat. Am Ende konnte sie das Gewicht des Missbrauchs nicht länger tragen“.

Laut ihren Geschwistern wünschte sich Giuffre sehr, dass die Epstein Files vollständig veröffentlicht werden. Ende Oktober wurde ihre Autobiographie postum veröffentlicht, kurz darauf entzog König Charles seinem Bruder den Geburtstitel „Prinz“ und bekundete in der Pressemitteilung seine Solidarität mit allen Missbrauchsopfern.

Also glaubt der britische König Virginia Giuffre und nicht seinem Bruder?

Viele interpretieren das so, ja.

Wie sind die Medien damals mit den Vorwürfen gegen Epstein umgegangen?

Zunächst einmal haben sie die Vorwürfe ignoriert. Die Journalistin Vicky Ward veröffentlichte 2003 in der Vanity Fair ein Porträt von Epstein, in dem sie die Quelle seines Reichtums infrage stellte – aber nicht den etwaigen Missbrauch erwähnte, den ihm zwei Schwestern vorwarfen.

Zuvor hatte Epstein wohl den Chefredakteur von Vanity Fair bedrängt und beschimpft. Epstein leugnete jegliches Fehlverhalten und wollte, dass sich das Magazin von dem Thema fernhält.

2006 interviewte ein anderer Vanity Fair-Journalist mehrere Frauen, die für Epstein gearbeitet haben. Daraufhin fand der Chefredakteur den abgetrennten Kopf einer toten Katze in seinem Vorgarten.

Und wie wurde über Giuffre berichtet?

Sie äußerte sich 2010 zum ersten Mal öffentlich, 2011 erschienen ihre Vorwürfe in großen Medien. Die Journalismusforscherin Lindsey Blumell schreibt, dass sie und andere Opfer damals vor allem als sensationsträchtiger Skandalstoff galten. Bisweilen sei Giuffre als „Masseuse“ oder Schlimmeres bezeichnet worden – obwohl jeder wusste, dass sie noch minderjährig war.

Klingt nicht, als hätten die Medien viel Empathie für die Opfer und Überlebenden übrig gehabt.

Für viele Medien gilt: Je höher der Status eines Protagonisten, desto größer ist auch der Nachrichtenwert der Story. Deswegen stehen oft mächtige Männer wie Trump oder Epstein im Mittelpunkt der Medienaufmerksamkeit. Stimmen wie Giuffre werden als zweitrangig angesehen.

Der Verschwörungs- und Missbrauchsskandal ist also auch ein Medienskandal.

Auf jeden Fall. Erst in den letzten Jahren begann ein Bewusstseinswandel, auch dank der #MeToo-Bewegung. 2020 veröffentlichte Netflix die sehenswerte Dokuserie „Jeffrey Epstein: Filthy Rich“, die der Perspektive der Überlebenden viel Raum gibt. Darin sprach sich auch Giuffre zum ersten Mal vor laufender Kamera aus.

Wann konnten die Behörden Epstein schließlich hinter Gitter bringen?

2018 brachte eine engagierte Investigativjournalistin Epstein zu Fall. 2018 veröffentlichte Julie K. Brown eine dreiteilige Artikelserie über seinen geheimen Deal mit Staatsanwalt Alexander Acosta. Also die Vereinbarung, die Epstein zehn Jahre zuvor eine Bundesklage ersparte – und etwaigen Mitschuldigen weitere Ermittlungen.

Browns Artikel brachte den Epstein-Skandal zurück ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Unter anderem aufgrund ihrer Enthüllungen kam Epstein erneut vor Gericht: „Wir hatten Unterstützung durch hervorragenden investigativen Journalismus“, sagte ein Staatsanwalt damals.

Dieses Mal konnte Epstein sich hoffentlich nicht mehr rausmogeln.

Nein, er wurde am 6. Juli 2019 verhaftet und ins Metropolitan Correctional Center in Manhattan gebracht. Dort soll er sich am 10. August 2019 mit einem Bettlaken erhängt haben.

Auf den sozialen Medien begegnet man immer wieder dem Hashtag #epsteindidntkillhimself.

Über das ganze politische Spektrum hinweg glauben einige, dass Epstein sich nicht selbst umgebracht hat – sondern dass mächtige Menschen da nachgeholfen haben könnten. „Epstein didn’t kill himself“ ist zum geflügelten Wort geworden, im Internet kann man sogar allerlei Merch mit dem Ausspruch kaufen.

Mehr zum Thema

Es existieren doch bestimmt Kameraaufnahmen aus der Nacht von Epsteins Tod.

Anfang Juli 2025 hat das FBI Überwachungskamera-Videos aus dem Gefängnis veröffentlicht, aber darin gibt es einige Ungereimtheiten. Es liegen nur Aufnahmen einer Kamera vor, die den Eingang von Epsteins Zelle nicht richtig zeigen. Die veröffentlichten Videos sind anscheinend kein Rohmaterial, sondern wurden von einem Bildschirm abgefilmt. Es handelt sich um zwei separate Videodateien, die zusammengefügt wurden. Und eine Minute fehlt ganz.

Noch mehr gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker:innen. Was sagt denn das Gefängnispersonal?

Es gibt bisher keine Anhaltspunkte, dass Epstein sich nicht wirklich umgebracht hätte. Aber es gibt Hinweise, dass das Gefängnis schlecht geführt wurde. Am Anfang wusste dort niemand, wer Epstein überhaupt war. Später hat ihm das Personal trotz ausdrücklicher Anweisung keinen Zellengenossen zugewiesen, keine halbstündlichen Kontrollbesuche durchgeführt und nicht alle seine Telefonate aufgezeichnet.

Alle bisher erwähnten Vorwürfe richten sich gegen Epstein und Maxwell. Was ist mit seinen anderen Kontakten?

2022 verhängte ein US-Bundesgericht eine 20-jährige Haftstrafe für Ghislaine Maxwell. Gegen seine restlichen Kontakte laufen teilweise Untersuchungen, aber bisher wurde niemand verurteilt.

Welche Verbindungen hatte Donald Trump denn nun zu Jeffrey Epstein?

Die beiden waren Nachbarn in Palm Beach und seit den 1980er-Jahren gut befreundet. Man sah sie oft zusammen bei Abendveranstaltungen und Partys, auf denen auch attraktive junge Frauen zugegen waren.

Die New York Times berichtete gar von einem „Kalenderfrauen-Wettbewerb“ exklusiv für Trump und Epstein.

2002 sagte Trump über Epstein: „Ich kenne Jeff seit 15 Jahren. Großartiger Typ. Es macht viel Spaß, Zeit mit ihm zu verbringen. Es heißt sogar, er mag schöne Frauen genauso sehr wie ich, und viele von ihnen sind etwas jünger.“ Umgekehrt versicherte Epstein: „Ich war Donalds engster Freund“.

Doch 2004, also kurz bevor die Vorwürfe gegen Epstein in großem Umfang publik wurden, soll es zum Bruch gekommen sein. Streitgegenstand soll ironischerweise ein Anwesen gewesen sein, das Maison de l’Amitié heißt, also Haus der Freundschaft.

Die beiden haben sich wegen eines Hauses zerstritten?

Es ist zugegebenermaßen ein nettes Objekt. 5.700 Quadratmeter Hauptgebäude, 18 Schlafzimmer, Ballsaal, Konservatorium, Kunstgalerie, Pool, Tennishalle, Garage für 50 Autos. Das Anwesen wurde wegen Zahlungsunfähigkeit versteigert, Trump und Epstein wollten es jeweils unbedingt haben. Trump überbot Epstein und sicherte sich das Haus für 41 Millionen Dollar. Er verkaufte es später an einen russischen Oligarchen. Es gibt keine Belege, dass Epstein und Trump sich danach noch einmal getroffen hätten.

Maison de l'Amitié, Palm Beach

unknown (perhaps a real estate agent) - https://www.forbes.com/2011/06/10/monster-billionaire-mansions_slide.html (Morgan Brennan, Forbes) ZUMA Press/Newscom

Außerdem wusste Trump, dass Epstein und Maxwell ihm eine Angestellte in Mar-a-Lago „gestohlen“ haben, so drückt er es aus. Auch soll er davon nicht begeistert gewesen sein. Ob er jedoch wusste, was sie mit ihr vorhatten, ist unklar.

Beide sind mächtige Männer und gewohnt, zu bekommen, was sie wollen. Kein Wunder, dass sie sich nicht einigen konnten. Wie ging es dann weiter?

Nur zwei Wochen nach der Auktion bekam die Polizei von Palm Beach einen Hinweis, dass junge Frauen in Epsteins Haus ein- und ausgingen.

Es ist also wirklich nicht auszuschließen, dass sich Trump an Minderjährigen vergriffen hat! Zumal er politisch und privat durch und durch Frauenfeind ist.

Viele werden den Verdacht nicht los. Und sie bekommen dafür immer neue Indizien. In einer der Epstein-Mails schreibt er, Trump hätte Stunden in seinem Haus mit einem der Opfer verbracht, anscheinend handelt es sich dabei um Virginia Giuffre. Diese hatte ausgesagt, Trump hätte nie mit ihr geflirtet, sie hätten auch keinen Sex gehabt. Im Juli veröffentlichte das Wall Street Journal einen Artikel zu einem Album, das Maxwell 2003 für Epstein zu seinem 50. Geburtstag zusammengestellt haben soll. Eine Seite darin soll von Donald Trump stammen.

Was soll darauf zu sehen sein?

Laut Donald Trump ist die Recherche eine „fake story“. Er streitet ab, die Seite verfasst zu haben und hat das Wall Street Journal wegen dieses Artikels auf mindestens 10 Milliarden Dollar verklagt.

Jetzt will ich’s wissen.

Darauf sollen einige getippte Zeilen stehen, umrahmt von der Silhouette einer nackten Frau. Die Brüste seien angedeutet, die Lettern DONALD bilden die Intimbehaarung. Der Text schließt wohl mit diesem Satz: „Happy Birthday – und auf dass jeder Tag ein weiteres wundervolles Geheimnis sein möge“.

Igitt. Wie wird es jetzt weitergehen?

Am Dienstag stimmt der Kongress über das Gesetz ab, um die Epstein-Akten zu veröffentlichen. Danach muss der Senat darüber abstimmen. Vor Trumps U-Turn war es unwahrscheinlich, dass der Gesetzentwurf verabschiedet worden wäre. Aber nun hat er ja die Republikaner ermutigt, dafür zu stimmen. In einem letzten Schritt braucht es die Unterschrift des Präsidenten, damit sich die Forderung so vieler US-Amerikaner:innen erfüllt und die Dokumente des FBI veröffentlicht werden.

Und wann wird das passieren?

Das weiß gerade niemand. Klar ist aber: Die Veröffentlichung dieser Dokumente wird vielen mächtigen Männern überhaupt nicht gefallen.


Hinweis: Dieser Text wurde zuerst am 7. August 2025 veröffentlicht. Wir haben ihn aktualisiert.

Redaktion: Rebecca Kelber, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert und Iris Hochberger

Der Epstein-Skandal, verständlich erklärt

0:00 0:00

Einfach unterwegs hören mit der KR-Audio-App