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Manche Kitas suchen inzwischen nicht mehr nach Erzieher:innen – sondern nach Kindern.
Erst heute morgen habe ich auf dem Weg in unsere Berliner Redaktion an einem Laternenpfahl den Zettel einer Kita gesehen, die noch freie Plätze hat. Vor allem im Osten Deutschlands gibt es Kitas, die um Kinder werben müssen.
Denn in Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. 2024 lag die Geburtenrate mit 1,35 Kindern pro Frau um zwei Prozent niedriger als im Vorjahr.
Das Bemerkenswerte ist: Nicht nur in Deutschland sinkt die Geburtenrate. Sondern auf der ganzen Welt.
Diese Grafik einer Studie aus der Fachzeitschrift The Lancet zeigt die Geburtenrate für verschiedene Regionen. Alles rechts von der senkrechten gestrichelten Linie ist die Prognose.

Screenshot: The Lancet
Vor ein paar Jahrzehnten war die Geburtenrate in den meisten Ländern noch sehr hoch. Der Rückgang ist auch dadurch zu erklären, dass viele Frauen nicht mehr fünf Kinder bekommen.
Das Problem ist: Die Geburtenrate liegt häufig unter der Schwelle von 2,1 Kindern pro Frau, die es braucht, um eine Gesellschaft auf einem stabilen Niveau zu halten – sofern es keine Zuwanderung gibt.
Und diese Schwelle unterschritten im Jahr 2023 so einige Länder:
Brasilien: 1,62
Albanien: 1,35
Südkorea: 0,72
Kanada: 1,26
Tunesien: 1,83
Ich dachte lange, dass die Weltbevölkerung immer weiter wächst und dass genau das zu Problemen führt. Jetzt könnte es anders herum kommen: Die Geburtenrate geht weltweit zurück und Untersuchungen gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung in ein paar Jahrzehnten schrumpfen könnte.
Vielleicht denkst du dir jetzt: Wo ist das Problem? Ist doch super, wenn sich die Menschheit auf dem Planeten weniger breit macht und weniger Ressourcen verbraucht!
Aus langfristiger Sicht des Planeten Erde mag das stimmen. Doch für alle Menschen, die auf diesem Planeten wohnen, wird das Leben anstrengender.
Schließlich wird die Gruppe der Erwerbstätigen immer kleiner. Die Folge sind Fachkräftemangel, niedrige Renten und Krisen im Gesundheitssystem. Also das, was wir jetzt auch schon haben, nur noch schlimmer.
In Südkorea müssen schon Schulen schließen
Dazu kommt noch, dass Deutschland auch auf Zuwanderung setzt, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Aber wenn immer mehr andere Länder niedrige Geburtenraten haben, wollen möglicherweise weniger Fachkräfte nach Deutschland kommen. Und Deutschland würde das Problem der schrumpfenden Bevölkerung in den dortigen Ländern noch verschlimmern.
Jetzt sind es die Kitas, die nach Kindern suchen. In ein paar Jahren sind es dann Schulen und Unis. In Südkorea müssen dieses Jahr 50 Schulen schließen, weil es nicht genug Kinder gibt. In ein paar Jahren wird es die Unis treffen, die jetzt schon Abteilungen und Studiengänge schließen. In Deutschland hätte sowas gravierende Folgen für die betreffenden Städte.
Ich denke schon seit Wochen über dieses Thema nach. Ich glaube nämlich nicht, dass es reicht, eine Gesellschaft gleichberechtigter zu machen, damit Menschen mehr Kinder bekommen. Sonst hätten Länder wie Norwegen eine hohe Geburtenrate. Dort lag sie aber vergangenes Jahr bei 1,44 Kindern pro Frau.
Wenn es so viele Länder gleichermaßen betrifft, müssen die Ursachen noch viel tiefer reichen. Und irgendwie müssen wir auch mit den Folgen klarkommen, wenn nicht nur unsere, sondern auch viele andere Gesellschaften schrumpfen. Damit will ich mich in einem meiner nächsten Texte beschäftigen. Wenn du ihn auf keinen Fall verpassen willst, dann abonniere hier meinen Newsletter:
Redaktion: Rico Grimm