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Wenn Deutsche „Ungarn“ googlen, dann suchen sie meistens nach einer Zahnklinik. Als „Zahntourist“ gibt es morgens eine günstige Zahnkrone und abends Lángos, ein Fladenbrot mit Rahm und Käse.
Doch Ungarn ist mehr als das. Und ja,die ungarische Politik besteht auch nicht nur aus Viktor Orbán. Ich war mehrere Tage in Budapest, um für meine nächsten Texte zu recherchieren. Fünf interessante Dinge, die ich dort gelernt habe, fasse ich dir in dieser Newsletter-Ausgabe zusammen.
1. Die ungarische Politik wird ständig von Skandalen erschüttert
Aus den Skandalen der ungarischen Politik ließe sich eine Politserie machen. Einer der größten Skandale 2024 drehte sich um Gergö Bese, Orbáns „Hauspfarrer“. Bese segnete Orbáns Amtssitz und unterstützte dessen homofeindliche Kampagnen.
Orbáns Regierung drangsaliert die queere Community immer mehr, dieses Jahr können Personen, die an der Pride-Parade teilnehmen, sogar mit Geldstrafen belegt werden.
Vergangenes Jahr kam raus: Bese, der homofeindliche Pfarrer, hatte Sex mit Männern. Und ging heimlich auf Schwulenpartys. Dieser Fall zeigte für viele, wie heuchlerisch Orbán und seine Partei sind.
2. Sehr viele Ungar:innen können Deutsch
Mehr als 320.000 Menschen in Ungarn lernen Deutsch, wie eine Erhebung des Auswärtigen Amtes von 2020 ergab. In Budapest ist es mir mindestens einmal pro Tag passiert, dass mir eine Person auf Deutsch geantwortet hat.
3. Feindseligkeit gegen die EU und die Ukraine ist Teil der Fidesz-Politik
Wer aktuell in Ungarn ankommt, sieht sofort überall diese Plakate:

Wer schaut teuflischer: Von der Leyen oder Selenskyj? | © Isolde Ruhdorfer
Darauf sind der Chef der Europäischen Volkspartei Manfred Weber, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu sehen. Der Text heißt übersetzt: „Sie nehmen die Ukraine in die EU auf und wir zahlen den Preis dafür. Stimmt mit Nein!“ Es geht dabei um eine rechtlich nicht bindende Abstimmung in der ungarischen Bevölkerung, ob die Ukraine der EU beitreten sollte.
Diese Plakate zeigen beispielhaft, wie Orbán auf die Ukraine und Russland blickt. Ungarn lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab und blockierte in der Vergangenheit immer wieder EU-Finanzhilfen für die Ukraine oder Sanktionspakete gegen Russland. Die Plakate zeigen auch, wie populistisch Orbáns Politik ist, schließlich ist es keine objektive Umfrage, wenn er vorher selbst für ein bestimmtes Ergebnis Werbung macht.
4. Ungarisch ist ganz anders als alle anderen Sprachen in Europa
Ungarisch ist ungefähr so wie ein Dudelsack auf einer Technoparty. Ungarisch gehört zu den finno-ugrischen Sprachen, ist also entfernt verwandt mit dem Finnischen – und mit keiner der anderen Sprachen, die in den umliegenden Ländern gesprochen werden, wie etwa Rumänisch, Ukrainisch oder Deutsch.
Diese Abgrenzung zu den umliegenden Sprachen und Menschen gehört zur ungarischen Identität.
Gleichzeitig gibt es große ungarische Minderheiten in Nachbarländern, in Rumänien leben über 1,2 Millionen Ungar:innen, sodass in manchen rumänischen Städten vor allem Ungarisch gesprochen wird.
5. Orbáns Macht ist nicht so gesichert wie es scheint
Orbán gehörte für mich immer zu Ungarn wie Schnitzel zu Pommes. Er war das erste Mal von 1998 bis 2002 Ministerpräsident, dann verlor er die Wahlen und ging in die Opposition. Seit 2010 regiert er wieder durchgehend.
Autoritäre Systeme wie die in Ungarn wirken oft sehr stabil. Wenn die Medien nicht mehr frei berichten können und Oppositionspolitiker:innen ständig Angriffen ausgesetzt sind, ist es schwer, dass sich in der Regierung etwas verändert – selbst wenn es freie Wahlen gibt.
Und wenn jemand wie Orbán 15 Jahre an der Macht ist und die Demokratie immer weiter abbaut, können sich viele gar nicht mehr vorstellen, dass es auch anders sein kann. Doch genau das passiert jetzt: Der Oppositionspolitiker Péter Magyar und seine Partei Tisza liegen in aktuellen Umfragen vor Orbáns Fidesz.
Im April 2026 sind Parlamentswahlen, und zum ersten Mal seit 15 Jahren könnte Orbán verlieren. Noch vor eineinhalb Jahren hätte das niemand für möglich gehalten. Der Aufstieg dieser Oppositionspartei zeigt, dass autoritäre Länder nicht immer so starr und stabil sind, wie es zunächst scheint.
In den kommenden Wochen werde ich mehr dazu schreiben. Wenn du die Artikel auf keinen Fall verpassen willst, dann abonniere hier meinen Newsletter.
Redaktion: Rebecca Kelber