Zwei Personen im Vordergrund, Spalt der durch die Mitte geht, halten händchen

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Leben und Lieben

Interview: „Social Media ist bei Trennungen zur Waffe geworden“

Wie gelingt am Ende einer Beziehung ein gutes Abschlussgespräch? Der Psychotherapeut Gary McClain erklärt, wie man sich darauf vorbereitet – und was man auf keinen Fall tun sollte.

Profilbild von Fabrice Braun
Journalist und Buchautor

Herr McClain, Sie helfen als Psychotherapeut seit Jahrzehnten Menschen dabei, über gescheiterte Partnerschaften hinwegzukommen. Wieso ist es so wichtig, einen guten Abschluss für eine Beziehung zu finden?

Weil Menschen grundsätzlich nach Sinn suchen. Wir wollen verstehen: Was ist passiert? Warum hat unsere Beziehung geendet? Was habe ich falsch gemacht? Was hätten wir anders machen sollen? Wenn wir keinen Abschluss bekommen, haben wir das Gefühl, in der Luft zu hängen. Das kann traurig machen oder sogar quälend sein. Selbst in kleinen Alltagsmomenten spüren wir das: Wenn wir etwa vergessen, uns bei jemandem zu bedanken oder ein Lächeln zu erwidern. Ein guter Abschluss gibt uns das positive Gefühl von Endgültigkeit und Klarheit.

Filme zeigen oft die große finale, dramatische Aussprache, und am Ende lösen sich am besten alle Missverständnisse auf. Ist das realistisch?

Leider nicht. Zu einem guten Abschluss gehören zwei Menschen, die das auch wollen. Aber viele weigern sich, über ihre Gefühle zu reden und sich von ihrer verletzlichen Seite zu zeigen. Sie haben Angst davor, bloßgestellt zu werden und sehen in Verletzlichkeit eine Gefahr. Um sich verletzlich zeigen zu können, muss man der anderen Person vertrauen. Das fällt vielen schwer. Ich denke, das gilt besonders für Männer. Sie glauben, dass sie stark, schweigsam und stoisch sein müssen. Aber ich glaube auch, dass sich das ändert. Die jüngeren Männer, mit denen ich arbeite, sind oft mehr mit ihren Gefühlen im Einklang und eher bereit, Verletzlichkeit zu zeigen. Aber auch Frauen, die schlechte Erfahrungen mit emotionalem Missbrauch durch Männer gemacht haben, fühlen sich unwohl, wenn sie verletzlich sind. Anders als in solchen Filmszenen ziehen sich in der Realität viele Menschen vor einer Aussprache zurück, manche blockieren sogar die Kommunikation und ghosten.

Wie geht man am besten damit um, wenn man geghostet wird?

Manchmal können wir nur noch akzeptieren, dass wir keine Antworten bekommen werden. Das macht einen echten, menschlichen Abschluss fast unmöglich. Dann muss ich mir sagen: Ich weiß nicht, warum es geendet hat, aber das Leben ergibt eben nicht immer Sinn. Das ist nicht leicht, aber das zu akzeptieren kann unglaublich befreiend sein. Dann kann ich mich um neue Beziehungen kümmern und mich voll ins Leben stürzen. Auch früher haben sich Menschen natürlich schon getrennt und sich geweigert, mit dem Partner darüber zu reden. Aber mit den modernen Kommunikationsmethoden ist das viel leichter geworden. Dass man jemanden komplett blockieren kann, seine Telefonnummer, seine Nachrichten, eröffnet ganz neue Möglichkeiten, jemanden zu verletzen.

Manche beenden eine Beziehung einfach per Whatsapp oder SMS. Was macht das mit der Person, die verlassen wird?

Wenn man so Schluss macht, muss man sich nicht wundern, wenn sich beide schlecht fühlen. Das geht nicht. Blickkontakt, Stimme, Körpersprache – all das fehlt. Es kommt bei Paaren auch vor, dass sie auf Social Media aggressiv über den anderen herziehen. Die Leute haben schon die heftigsten Dinge gepostet, auch sexuelle Inhalte. Social Media ist zu einem Werkzeug geworden, um Beziehungen zu knüpfen, aber auch zu einer Waffe. Wir regeln viel zu viel über Mail oder Textnachrichten, obwohl wir uns eigentlich öfter hinsetzen und ein echtes menschliches Gespräch führen sollten, bei dem wir Blickkontakt haben und sehen können, wie der andere reagiert. Studien zeigen, dass ein Großteil der Kommunikation nicht so sehr aus den gesprochenen Worten besteht, sondern vielmehr aus dem Gesichtsausdruck, dem Tonfall, der Körpersprache und dem Blickkontakt. Wenn wir ohne visuelle Hinweise kommunizieren, besteht die Gefahr, dass wir unsere Absichten nicht richtig rüberbringen und die Absichten der anderen Person falsch verstehen.

Selbst nach der Trennung folgen manche ihrem Ex-Partner oder ihrer Ex-Partnerin auf Social Media und schauen genau, was er macht.

Ja, ich kenne solche Fälle. Dadurch fühlt man sich nur schlechter. Wer postet schon auf Instagram oder Facebook, dass er einen miesen Tag hatte? Man sieht nur die positiven Seiten und wundert sich vielleicht, wer dieser toll aussehende Mensch auf dem Foto neben der Ex ist. Ist das ihr neuer Partner? Ich rate immer dazu, genau darüber nachzudenken, ob man nach einer Trennung dem Ex-Partner wirklich auf Social Media folgen will. Man sollte sich da Grenzen setzen, sonst bohrt man in der Wunde und der Schmerz dauert länger.

Wann lohnt es sich, für ein klärendes Gespräch zu kämpfen, wenn man verlassen wurde?

Eine wichtige Frage, die ich meinen Klientinnen und Klienten oft stelle, lautet: Was wollen Sie mit dem Gespräch erreichen? Möchten Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin verstehen oder möchten Sie vor allem recht haben? Das müssen sie erst einmal mit sich selbst klären. Wenn Sie nur recht haben wollen, ist ein abschließendes Gespräch nicht sinnvoll. Sie müssen es mit einer konstruktiven Haltung angehen und sich selbst verletzlich zeigen. Aber natürlich spielt es auch eine Rolle, wie mein Gegenüber ist: Ist das etwa jemand, der sehr abwehrend ist und schnell wütend wird? Will ich dann wirklich mit ihm reden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass ich mich hinterher schlechter fühle? Wenn man jemanden mehrmals fragt und er dieses Gespräch nicht führen will, muss man es wahrscheinlich sein lassen.

Manche wollen aber auch nur ein Abschlussgespräch führen, um es dem Partner heimzuzahlen.

Dieses Verlangen nach Rache ist leider sehr menschlich. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich verletzt wurde, kann das tatsächlich ein guter Grund sein, um ein abschließendes Gespräch zu führen. Aber es muss darum gehen, besser zu verstehen, warum sich der Partner oder die Partnerin so verhalten hat. Vielleicht war der andere ja nur nicht achtsam oder überarbeitet und hat es gar nicht so gemeint. Manche wollen im Abschlussgespräch aber lieber fiese Sachen sagen, damit sich der andere auch schlecht fühlt. Sie verwechseln einen Abschluss finden mit Vergeltung, aber das bringt nur noch mehr Schmerz.

Wie führt man ein Abschlussgespräch am besten?

Ein klärendes Gespräch sollte als Einladung formuliert werden – respektvoll und offen, zum Beispiel: „Ich würde gerne mit dir über unsere Beziehung sprechen. Wäre das für dich in Ordnung?“ Wichtig ist, gemeinsam einen passenden Zeitpunkt zu finden, zu dem beide emotional ansprechbar sind. Auch der Ort sollte gut gewählt sein: neutral, ruhig und nicht mit Erinnerungen vorbelastet. Ein überfülltes Café ist wahrscheinlich keine so gute Idee. Ich bin ein großer Fan davon, mich zu solchen Anlässen in einem Park zu treffen oder spazieren zu gehen.

Und was sollte man dann sagen?

Ein gutes Abschlussgespräch beginnt damit, dass man seine eigenen Absichten klar formuliert, also sagt, warum man dieses Gespräch führen möchte und was einem dabei wichtig ist. Dann sollte man die andere Person aktiv um Gehör bitten, ihr also signalisieren, dass man sich wünscht, dass sie wirklich zuhört. Im Gespräch selbst ist es wichtig, die eigene Sichtweise in Ich-Botschaften auszudrücken, also nicht anklagend oder vorwurfsvoll zu sprechen, sondern ehrlich und persönlich. Danach sollte man nachfragen, ob die andere Person verstanden hat, was man gemeint hat. Das schafft Klarheit und verhindert Missverständnisse. Anschließend ist es wichtig, dem Partner Raum zu geben, damit er seine Perspektive mitteilen kann. Am Ende sollte man gemeinsam überlegen, wie es weitergehen könnte oder ob es einen klaren Abschluss braucht.

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Ist es sinnvoll, sich vor dem Gespräch aufzuschreiben, was man sagen will, wenn man unsicher ist?

Das können Sie machen, wenn es ihnen hilft. Sie können das auch ihren Partner lesen lassen, wenn ihnen Reden schwerfällt. Aber machen Sie nicht den Fehler, das Gespräch vorher im Kopf durchzuspielen wie ein Theaterstück. Das führt nur dazu, dass man nicht mehr zuhört, weil man nur seine eigenen Sätze abspulen will. Doch es geht eben nicht darum, recht zu haben, zuhören ist wichtig. Fragen Sie auch, was Ihr Partner denkt. Es gehört Mut dazu, so offen zu reden. Aber wir wachsen durch solche schwierigen Gespräche auch. Wir fühlen uns dann dem anderen näher, selbst wenn wir uns entschieden haben, die Beziehung nicht fortzusetzen. Manchmal kann es nach so einem Gespräch sogar zu einem Neuanfang der Beziehung kommen.

Manchen Paaren gelingt es, auch nach einer Trennung noch Freunde zu bleiben. Wie schafft man das am besten?

Das ist sehr schwierig, aber nicht unmöglich. Der Schlüssel dazu ist Vergebung. Wir müssen uns und unserem Partner vergeben. Wenn das gelingt und wir diese Person sehr schätzen, können wir mit ihr zusammen daran arbeiten, eine neue Art von Beziehung aufzubauen. Mit manchen Menschen kann man eine tiefe innere Verbindung haben, auch wenn man feststellt, dass man als Paar einfach nicht zusammenpasst. Aber dazu gehört eben immer erst ein guter Abschluss der romantischen Beziehung.

Gary McClains Buch „Good Bye! Von der Kraft, Dinge gut zu beenden“ ist am 1. April 2025 im Knaur-Verlag erschienen.

Gary McClains Buch „Good Bye! Von der Kraft, Dinge gut zu beenden“ ist am 1. April 2025 im Knaur-Verlag erschienen.

Selbst mit einer guten Aussprache ist eine Trennung keine leichte Sache. Welchen Fehler sollte man nach dem Ende einer Beziehung unbedingt vermeiden?

Der größte Fehler ist es, sich zu isolieren. Viele ziehen sich zurück, denken nur an die Vergangenheit, machen sich selbst Vorwürfe und lassen sich von negativen Gefühlen wie Wut, Trauer, Zukunftsangst oder Scham beherrschen. Wenn wir zu sehr ins Grübeln geraten, können wir in ein dunkles Loch fallen. Es ist deshalb wichtig, ein Gleichgewicht zu finden: Zeit für sich selbst, aber auch Zeit mit anderen. Der Austausch mit Freunden und Familie kann helfen, neue Perspektiven zu gewinnen und emotionale Klarheit zu schaffen. Sie haben oft eine andere Perspektive auf die Trennung und haben womöglich auch einen anderen Blick auf unseren Ex-Partner. Sie können uns vielleicht auch sagen, wie wir uns durch die Trennung verändert haben. Man sollte daher seine sozialen Kontakte aktiv pflegen, auch wenn einem vielleicht gerade nicht danach ist.


Redaktion: Astrid Probst, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Gabriel Schäfer, Audioversion: Christian Melchert und Iris Hochberger

„Social Media ist bei Trennungen zur Waffe geworden“

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