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Die Krautreporter:innen Bent Freiwald und Lea Schönborn haben mir ihren Newsletter überlassen, damit ich stellvertretend für meine Generation darüber schreiben kann, wieso Menschen meiner Generation so oft stellvertretend für ihre Generation sprechen sollen. Ich bin 17 Jahre alt und in dieser Ausgabe erkläre ich nicht die Gen Z, dafür aber, warum genau das zu kurz greifen würde.
„Wie feministisch ist die Gen Z?“ wird Salwa Houmsi von Anne Will gefragt. Der Folgentitel ihres Podcasts ist nicht überraschend – Houmsi, selbst Journalistin, ist 29 Jahre alt. Viele Menschen werden in Talkshows, Interviews und auf Panels eingeladen, um „die junge Stimme“ zu sein. Aber für wen spricht die Stimme eigentlich? „Valentina Vapaux fungiert im heutigen Podcast als Stellvertreterin der Generation Z“, so begrüßt Detlef Altenbeck, Leiter der m.next-Denkwerkstatt, die Autorin im m.next-Podcast. Fair, sie hat schließlich ein Buch mit dem Titel „Generation Z“ geschrieben. Medien werden nicht müde, junge Menschen als „die Jungen in der Runde“ einzuladen. Als wäre das Gen Zler-Sein eine Qualifikation oder eine Meinung, die automatisch als Attribut an allen haftet, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden.
„Ob bei Arbeitsmoral, Gendern oder Klimathemen, ständig wird so ein Generationenkonflikt herbeigeredet, den es natürlich eigentlich gar nicht gibt“, sagt Jo Schück zum Anfang einer Talksendung des ZDF. Trotzdem werden die Gäst:innen darauffolgend mit Aussagen wie „Ich kann einfach nicht verstehen, warum sich Menschen aus der älteren Generation aus Bequemlichkeit weigern, rücksichtsvoll und empathisch zu sein“ vorgestellt.
Für eine spannende Debatte oder Klicks ist etwas Polarisierung hilfreich, trotzdem lässt sich dieses Muster des Öfteren beobachten: Wir sind uns oft einig, aber wir beschweren uns trotzdem gern gemeinsam über die Anderen. Das könnte man mit „Othering“ erklären. Fremde Gruppen abzuwerten geht in der Soziologie Hand in Hand damit, die eigene Gruppe zu bevorzugen. Einfach gesagt: Um zu definieren, wer wir sind, müssen wir die Anderen von uns abgrenzen, sie also erst einmal zu „Anderen“ machen. Das ist ein Bestandteil jeder Diskriminierungsform und aus guten Gründen ein Problem. Es ist menschlich, dass die Unterschiede zwischen den Generationen für uns so eine große Rolle spielen. Irgendeiner Generation gehören wir schließlich alle an.
Warum „Jungsein“ in der Öffentlichkeit einschränkt
Wenn das Ganze nur ein lustiger Effekt der menschlichen Eigenheiten ist und die Streitsucht wie ein dauerhaftes Sommerlochthema bedient, warum können wir es nicht genießen, uns mit unseren Peers aufzuregen? Nun, weil dabei ein Aspekt hinten runterfällt.
Wenn es in Podcasts und Talkshows um andere Themen geht, wenn die Überschrift nicht mehr „Der große Generationenstreit“ lautet, offenbart sich eine Ungleichheit. Dann werden Klimaaktivist:innen zu ihrer Generation befragt und junge Politiker:innen sollen über junge Perspektiven erzählen. Die Gäste werden auf ihr Alter reduziert, ihre Forderungen und Aussagen zweitrangig oder wenn überhaupt unmittelbar mit diesem verknüpft. Ganz nach dem Motto: „Erklär doch mal was über diese jungen Leute, wie ticken die so?“
Anfang 2018 hatten die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, eine Kampagne gegen die anstehende Große Koalition gestartet. Ein „Milchgesicht, das Merkel stürzen will“, war Kevin Kühnert für die Bild damals. Die Norm in Talkshows und Interviews sind eben ältere Menschen. Markus Lanz würde vermutlich nie auf die Idee kommen, Jens Spahns Haltung zur Wirtschaft an dessen Alter festzumachen, geschweige denn ihn zu fragen, was denn die 40-Jährigen darüber denken. Wie auch? Es gibt viele Politiker:innen und noch mehr Bürger:innen, die in diesem Alter genau entgegengesetzte Positionen vertreten.
Fachpolitiker:innen werden als junge Menschen verkleidet
Ein weiteres Beispiel. Die Fridays-For-Future-Proteste wurden durch streikende Schüler:innen geprägt und haben auch bei Greta Thunberg ihre Wurzeln. Dennoch gibt es Lehrkräfte und auch schulexterne Menschen, die sich anschließen. Das Ganze ist keine geschlossene Veranstaltung. Als Markus Lanz Carla Reemtsma, Sprecherin von Fridays for Future, in seiner Sendung fragte, ob ihre Generation überhaupt noch Vertrauen in die Politik habe, war das eine vertane Chance. Statt über Themen (den Klimawandel) zu reden, wird die Person (ihr Alter) zum Thema.
Auch die Politikerin Hanna Neumann wurde zu einer Podiumsdiskussion des Innenministeriums als „junge Erwachsene“ eingeladen. Sie hat einen Doktor in Friedens- und Konfliktforschung und ist Teil der Grünen-Fraktion im EU-Parlament. Ähnlich wie bei Gästinnen in männerdominierten Shows wird hier wahlweise das Geschlecht oder das Alter als das eine Thema gesehen, zu dem die Person aussagefähig und qualifiziert ist. Hannah Neumann ist bereits Mutter und 36 Jahre alt. In einem Interview sagte sie, ihre Kinder seien mehr junge Erwachsene als sie. Durch die Norm der Älteren werden sogar Mittdreißiger in der deutschen Medienlandschaft für das Siegel einer jungen Stimme hergenommen.
Im Dezember 2024 moderierte Markus Lanz eine Runde aus Abgeordneten als „ungewöhnliche Besetzung“ und „Frischlinge“ an. Zu Anna Kassautzki, damals im Bundestag für die SPD und Merle Spellerberg, damals im Bundestag für Bündnis90/Die Grünen, sagt Lanz im Laufe des Abends mehrmals, es sei spannend, wie sie „so antworten, wie Profi-Politiker das machen“. „Wie findet ihr als junge Generation das?“ wirft Lanz in die Runde aus Bundestagsabgeordneten ein, als es um die Rente geht. Dass die Gäst:innen die gesamte Zeit die jeweiligen Parteiprogramme von SPD, FDP, CDU und Grünen vorstellen, wird gekonnt ignoriert. Es wird immer jemand da sein, der oder die „junge:r Expert:in“ für „junge Menschen“ ist.
Unabhängig vom Thema „junge Menschen“ gibt es aber wenig Gen Zler, die zu ihren Fachgebieten eingeladen werden. Und um die vermeintlich gleichgesinnte Gen Z zu erklären und zu beurteilen, gibt es echte Erwachsene. So heißt die Sendung von Markus Lanz im Juni 2023: „Esken verteidigt die Arbeitsmoral der Gen Z“. Natürlich wird auch eine 26-Jährige eingeladen, die gefragt wird, ob sie und ihre Generation „den berühmten deutschen Fleiß“ ablehnen.
Eine Quote für ausgeglichene Quotes?
Zunehmend verwirrend wird es, wenn verschiedene Jugendorganisationen der Parteien in Talkshows aufeinander treffen. Sind sie etwa doch unterschiedlich, die Jungen? Gar eine Mischung aus Menschen jeder Meinung und politischen Einstellung wie jede andere Generation auch? „Ich merke, dass die junge Generation alles andere als einheitlich tickt“, resümiert Lanz am im Mai 2024 und schiebt verwundert die Frage nach, wie seine Gäst:innen sich diese Spannweite erklären würden. In einer Welt, in der der deutsche Bundeskanzler 69 Jahre alt ist und der US-Präsident sowie sein Vorgänger je mit 78 Jahren ins Amt kamen, sind Stimmen der U30-jährigen wohl einfach zu exotisch.
Und auch wenn es Politiker:innen gibt, die sich engagieren und „die Stimme für junge Menschen“ sein wollen, geht das nicht auf. Es gibt nicht „die Stimme“. Weder für 20-, 30- oder 80-Jährige. Das haben wir mittlerweile aus der Frage nach Repräsentation von Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte gelernt. Eine Quote soll hier die Geschlechterverteilung gerechter machen. Was aber ist unsere Vision für Altersgruppen-Repräsentation?
Wir – um nun selbst einmal eine zutreffende Generalisierung anzubringen – werden entweder als zu wenig unabhängig in unserer Haltung, als haltungslos und auf unsere individuelle Perspektive beschränkt gesehen. Oder eben als Gesamtpaket für Gleichaltrige. Eine Lösung könnte eine diversere Repräsentation sein. Also: mehr junge Menschen in der Öffentlichkeit! Das bloße Fixieren bestimmter Positionen und Sorgen auf eine Altersgruppe sorgt allerdings gerade bei der Gen Z dafür, dass sie – wenn sie eingeladen werden – nur über sich als Gen Z oder die vorher assoziierten Haltungen sprechen und diese (Wer hätte es gedacht?) dann auch vertreten.
In einer Runde aus fünf Gäst:innen zum Klimawandel muss nicht nur eine 18-jährige Aktivistin mit Ü50-Standardgäst:innen diskutieren. Es könnte auch ein 70-Jähriger zeigen, dass Menschen jeden Alters sich um unsere Umwelt sorgen und dass gerade Hitzewellen ältere Menschen stark belasten. Das wäre ein Anfang. Es ist wichtig, in Machtpositionen und der Medienlandschaft ein ausgewogenes Altersverhältnis abzubilden. Nicht, weil es um die junge Meinung geht, die gleich oft zur alten, wahlweise „normalen“, erwähnt werden soll. Sondern weil sonst der Eindruck entsteht, es gäbe eine altersbezogene Einheitsmeinung. Dadurch scheint es wiederum unnötig, mehr als eine:n Repräsentant:in der Gruppe zu Wort kommen zu lassen – die Meinung ist dann ja schon vertreten.
Ob eine Quote das richtige Mittel ist oder es langfristig werden kann, darüber bin ich mir unsicher. Im schlimmsten Fall würde es das Klischee noch weiter stützen, wenn als Reflex immer auf die gleichen Figuren zurückgegriffen würde. Dann wären die jeweiligen Medien und Sender in der Verantwortung, Gäst:innen nach Expertise, nicht nach ihrer Vorstellung von Gen Z-Matching einzuladen. Es wäre spannend, zu sehen, in welche Richtung die Debatte bei der Eignung dann geht. Ob uns mehr als nur das Reden über uns selbst zugetraut wird.
Redaktion und Schlussredaktion: Bent Freiwald.