Wuffwuffs Veteranen und ihre Abenteuer
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Wuffwuffs Veteranen und ihre Abenteuer

Geschichten über die Welt. Erlebt durch traumatisierte Hunde. In der ersten Episode unserer kynästhetischen Graphic Novel macht Zara eine schreckliche Entdeckung und Wuffwuff kann sich nicht beherrschen.

Profilbild von Hans Hütt

Eine Brandmauer am Rand der Berliner Hasenheide, im Niemandsland zwischen Park und Friedhöfen. Hinter dieser Mauer einer schon seit langem vergessenen Remise leben Wuffwuff und seine fünf Gefährten. Die Mauer wirkt viel sauberer, als sie tatsächlich ist. Die Zeichen an der Wand führen einen bis auf weiteres unentschiedenen Streit zwischen Faschismus und Kommunismus. Sagen wir es so: Die Mauer ist eine Maske. Eine grimmige Maske.

Anti schaut heraus und peilt, ob die Luft rein ist.

Da sind sie, unsere Veteranen. Von links nach rechts seht Ihr Luzi, ein medizinhistorisches Wunder. In Berlin-Buch hat er Atemproben auf Krebsspuren beschnüffelt. Neben ihm steht Dio, der Geldschnüffler (alle Sorten! Wisst Ihr, wonach Geld in Malawi stinkt? Wollt Ihr das wirklich wissen? Pecunia non olet.). Er hat mit seinem Gefährten an der Grenze zur Schweiz patroulliert. Neben ihm Moni, unser Drogenschnüffler. Die kleine Anti hat in Port-au-Prince Erdbebenopfer gerettet. Zara schnüffelte in Kabul nach Bomben und Sprengfallen. Alle leiden sie an einem Trauma. Und das nicht zu knapp. Zu ihrer Therapie gehört die Übung, sich selbst zu vergessen. Denn nur dann können sie die Brandmauer durchqueren.

„Zynisch nennen wir jetzt das Abschieben einer Erkenntnis um einer Selbstbehauptung willen, die sich von den Folgen des Erkennens nicht erschüttern lassen will.“ Das schreibt Klaus Heinrich in seinem Buch „Parmenides und Jona“. Unsere Hunde sind erschüttert. Die Erkenntnis schieben sie auch nicht ab. Sie bahnen uns einen Pfad zum Leben und Denken der Kyniker.

Da ist Wuffwuff, ihr Gefährte undTherapeut. Zu seinen Spezialitäten gehört es, immer wieder anders auszusehen. Das hat er bei Gene Hackman gelernt. Heute trägt er ein grünes Hobbitmäntelchen. Für Halloween hat er sich einen Bart angeklebt.

NEIN! So ist das nicht gemeint. Zara hat mit Johann Sebastian Bach nichts im Sinn. Diese Zeile aus BWV 156 erzählt, dass er in den beiden zurückliegenden Jahren der Geschichte seines Traumas einen wichtigen Schritt näher gekommen ist, um es endlich los zu werden.

Weil die Kantate so schön ist (und ein früherer Kollege sie schon in sehr jungen Jahren gesungen hat), hier der link zu einer besonders schönen Aufführung.

Zara und die Geier kennen sich. Kein Schwein weiß, was sie in der Hasenheide treiben. Da gibt es (noch ) nicht genug Aas für sie. Sagen wir, es handelt sich bei den Geiern um eine träumerische Emergenz.

Wer wüsste besser als ein Geier, was das heißt? Eine Jabe Jottes!!! Wuffwuff erinnern die beiden Kameraden der Luftbestattung an eine gruslige Episode seines Lebens an der brasilianischen Atlantikküste. Darauf kommen wir zurück, wenn es an der Zeit ist.

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt, als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. (Bibel: Der Prediger Salomo /Kohelet)

Luzi findet Zara seltsam. Er traut ihm nicht über den Weg. Das hat etwas damit zu tun, dass die beiden etwa gleich groß und stark sind. Durch Zaras Nüstern und Geschichte weht ihn etwas an, was ihn beunruhigt.

WAS IST KRIEG? Luzi kennt nur den Krieg gegen Krebs, der zu oft verloren wird. Kabul ist ihm ein böhmisches Dorf, in dem nichts verteidigt wird, was Luzi wichtig wäre.

Moni wittert was Verdächtiges. Was kommt denn da angeflogen? Ein Duft von... wait!!!

Wuffwuff nennt Homer sein Dröhnchen. Ihr ahnt vielleicht, was das heißt. Homer lebt im Streichelzoo der Hasenheide und übernimmt gegen Belohnung Botendienste.

Was ist denn jetzt los? Anti, Luzi, Dio und Moni wittern: Da stimmt was nicht.

Zara hat etwas entdeckt. Und wenn er so dasitzt, so still, und mit der Nase auf etwas deutet, was sich unter der Erde befindet, kann es sich nur um EINE BOMBE handeln.

Wuffwuff greift zum Telefon. Die Nummer kennt er. Nur macht ihm sein Tick wieder zu schaffen. Immer, wenn er aufgeregt ist, erfindet er neue Wörter, die mehr erzählen, als ihm lieb ist, was ihn noch mehr auf die Palme bringt. Der Kampfmittelträumdienst, das ist doch ... ein Fall für Monika Rinck!


Kynästhesie ist eine Graphic Novel von Josefina Capelle (Grafik) und Hans Hütt (Text)
Die zweite Episode erscheint nächste Woche.

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